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Foto von Hyejin Lee

Autorin: 

Hyejin Lee

27.06.2021

Toningenieur

geboren am 24.03.1889 in Bielefeld

gestorben am 02.04.1957 in Berlin

Porträtskizze von Joseph Massolle

Porträtskizze: Holger Fahrland

Anfänge

Joseph Massolle wurde am 24. März 1889 in Bielefeld geboren. Schon als Kind war er von Technik fasziniert. Da sein Vater Schneider war, wurde er als Schlosserlehrling in die Nähmaschinenwerkstatt geschickt. Sein Interesse an der neuen Nachrichtentechnik entwickelte er im Alter von 18 Jahren in der Kaiserlichen Marine in Kiel, wo er unter anderem als Funktelegraf tätig war. Dort entdeckte er sein Talent im Umgang mit der neuen Verstärkungstechnik. Als Unteroffizier begegnet er Hans Vogt, der mit ihm und Joseph Engl zusammen später das Lichttonverfahren - das erste Verfahren, bei dem der Ton auf demselben Trägermedium wie das Bild aufgezeichnet wurde - entwickelte. Zeit seines Lebens übte Massolle eine Vielzahl von Berufen aus, zum Beispiel als Ingenieur, Radiotelegraf und Maschinenbauer. Letztlich ging er aber vor allem als Filmtonmeister in die Geschichte ein, indem er mit Hans Vogt und Joseph Engl die Erfindergemeinschaft "Tri-Ergon" (= "Werk der Drei") gründete.

Massolle, Vogt und Engl - Tri-Ergon

Joseph Massolle, Hans Vogt und Joseph Engl

Massolles Sound-Design in Filmen

Den Großteil seiner Filme produzierte er zwischen 1928 und 1930. Aus heutiger Perspektive wird offenbar, dass Massolle schon damals mit vielen renommierten Pionieren zusammen arbeitete und mit damaliger Spitzentechnik bereits zukunftsweisendes Sound-Design erschuf. 

Die Filmkarriere Massolles begann mit dem dokumentarischen Tonfilm Deutscher Rundfunk (1928), bei dem er die Tonleitung innehatte und als Regieassistent mitwirkte. Als experimenteller Tonfilm wurde Deutscher Rundfunk vom Regisseur Walter Ruttmann realisiert, hinter der Kamera stand u. a. Béla Balàzs. [1] Später arbeitete Massolle nahezu ausschließlich mit dem Filmpionier Carl Fröhlich zusammen, der als erster deutscher Regisseur die Tonfilmtechnik umfassend und systematisch einsetzte.

Eine besondere Bedeutung für die  Filmografie Massolles hatte Westfront 1918 von G. W. Pabst (1930). Mittlerweile gilt dieser Antikriegsfilm-Klassiker als einer der wichtigsten deutschen Filme. [2] Siegfried Kracauer und Hans Wollenweber haben sich in ihren Filmbesprechungen [3] auch ausführlich zur Tonmontage Massolles geäußert: 

Die Reproduktion des Geschützspektakels ist gelungen. Geglückt sind auch mehrere Versuche der Tonmontage: etwa die mit Hilfe lautlicher Entwicklung bewerkstelligten Übergänge zwischen zwei Bildeinheiten. Vor allem aber wird der Ton mit Erfolg als Mittel der Versinnbildlichung ausgenutzt.

Siegfried Kracauer (1930)

(Frankfurter Zeitung v. 27.05.1930)

Hier ist der repräsentative deutsche Großtonfilm geschaffen worden; die Summierung, die Verwirklichung dessen, was wir technisch, künstlerisch, organisatorisch zu leisten imstande sind.





Hans WollenBerg

(1930)

Lichtbild-Bühne Nr. 124 v. 24.05.1930

Ein langer Umweg bis zum Erfolg des "Sprechenden Films"

"Es war eine großartige Zeit, in der wir, gleich Pionieren in der Wildnis, in unbekanntes technisches Neuland vorstießen. Unsicher war der endliche Erfolg, die Tonqualität, - sicher war bei uns allen nur eines, der Glaube an unser Ziel", erinnerte sich Hans Vogt später. [4]

Auch wenn Joseph Massolle nur an wenigen Filmen direkt beteiligt war, trug er als Ingenieur maßgeblich zum deutschen Filmerbe bei, indem er zusammen mit Vogt und Engl seine Vision verwirklichte: Die Erfindung des Lichttonverfahrens für Filme - "Tri-Ergon".

Bereits Thomas Edison hatte versucht, Bild und Ton zu synchronisieren. Er wandte ein Verfahren an, bei dem der Ton parallel zum Bild mit einer Schallplattennadel aufgenommen und der Plattenspieler mit dem Filmprojektor gekoppelt wurde. Den Tri-Ergon-Entwicklern aber gelang es, Tonschwingungen im Lichttonverfahren neben dem Filmstreifen als gesonderte Spur fotografisch festzuhalten. [5] Damit sind die drei Pioniere Teil der Erfindungsgeschichte des Sprechenden Films.

Am 17. September 1922 präsentierten Joseph Massolle, Hans Vogt und Joseph Engl die ersten in Bild und Ton synchronisierten Kurzfilme mit großem Erfolg im Berliner Alhambra-Kino. Alle drei Hauptelemente des Tonfilms - der gesprochene Text (Dialog), die Geräuschkulisse und die Musik - waren bereits enthalten. Neben etwa 150 weiteren Erfindungen wurde auch das neue Lichttonverfahren selbst patentiert - unter demselben Namen wie ihre Erfindergesellschaft: "Tri-Ergon".

Kino Alhambra Berlin

Einladung zur Eröffnung des Alhambra-Kinos 1922 (Kurfürstendamm 68)

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Wie kam es dann dazu, dass statt einer deutschen Produktion der US-amerikanische Film The Jazz Singer (USA 1927, Regie: Alan Crosland) als erster echter Tonfilm in die Filmgeschichte einging? Hintergrund ist die Rezeption des Tri-Ergon-Verfahrens durch die deutsche Filmindustrie. Da die deutschen Filmkonzerne zum damaligen Zeitpunkt kaum Interesse an der Produktion von Tonfilmen zeigten, sahen sich die von Insolvenz bedrohten Erfinder gezwungen, das Tri-Ergon-Patent zunächst in die Schweiz und schließlich an den US-amerikanischen Filmmagnaten William Fox zu verkaufen. Dieser erkannte das Potenzial des Lichttonverfahrens und entwickelte es weiter. Erst mit dem Erfolg des Tonfilms auf dem US-Filmmarkt wurde das Lichttonverfahren auch für die deutsche Filmindustrie wieder interessant. [6]

Joseph Massolle in Groß Glienicke

Von 1927 bis 1930 ließ sich Massolle von den Potsdamer Architekten Otto von Estorff und Gerhard Winkler am Südrand der "Wochenendsiedlung West" auf dem Grundstück Waldallee 63 - 64  ein großes Landhaus errichten. [7] Der Garten wurde von dem Landschaftsarchitekten Erwin Barth gestaltet. Das Haus steht als "herausragendes Dokument bürgerlicher Wohnkultur im Sinn des Traditionalismus in Berlin" [8] heute unter Denkmalschutz. 

Parzellierungsplan Wochenend West mit Grundstück Massolle

Parzellierungsplan der Siedlung Wochenend West mit Doppelgrundstück Massolle (Bankmann 2015, 219)

Zeichnung Landhaus Massolle (Erwin Barth)

Garten am Landhaus Massolle. Zeichnung von Emil Barth (1931). (TU Berlin Architekturmuseum, Inv.-Nr. 41234)

Landhaus Massolle heute

Heutige Ansicht des Landhauses. (Foto: Sekamor, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

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Filmografie

Hans in allen Gassen. D 1930, Carl Fröhlich, 100 Min. (Tontechnische Oberleitung)

La folle aventure. D 1930, Carl Fröhlich und André-Paul Antoine, 103 Min. (Tontechnische Oberleitung)

Barcarolle d'amour. D 1930, Carl Fröhlich und Henry Roussell (Tontechnische Oberleitung)

Westfront 1918. D 1930, G. W. Pabst, 98 Min. (Leitung der Vertonung) [1933 Verbot des Films, 1957 Uraufführung einer resaurierten Fassung mit einer Länge von 88 Min.]

Brand in der Oper. D 1930, Carl Fröhlich, 93 Min. (Tonleitung)

Die Nacht gehört uns.  1929, Carl Fröhlich, 110 Min. (Tontechnische Oberleitung) [franz. Fassung mit anderen Schauspielern: La nuit est à nous, D 1929, Carl Fröhlich und Henry Roussell, 100 Min.] 

Deutscher Rundfunk. D 1928, Walter Ruttmann (Regieassistenz und technische Leitung)

Anmerkungen

[1]

Der Film gilt als erster abendfüllender Tonfilm in Deutschland und wurde am 31.08.1928 zur Eröffnung der 5. Großen Deutschen Funkausstellung in Berlin uraufgeführt. Walt(h)er Ruttmann (1887 - 1941) war einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen abstrakten Experimentalfilms. Bekannt ist heute vor allem sein Film Berlin - Sinfonie einer Großstadt von 1927, der den Tagesablauf in der Metropole Berlin in "rhythmisch geschnittener Dynamik" (Anonym a) mit einer eigens dafür komponierten Musik gleichsam choreografisch darstellt. 

[2]

Anonym b. 

[3]

Kracauer 1930; Wollenberg 1930.

[4]

Kempe 1972.

[5]

vgl. Kaes 2004, 84. Hier die Erklärung des Lichttonverfahrens in der Wikipedia; einige anschauliche zeitgenössische Darstellungen finden sich hier und hier im Diskussionsbereich des Deutschen Schellackplatten- und Grammphonforums e.V.

[6]

Bereits 1925 war die Tri-Ergon eine Kooperation mit der UFA eingegangen. Im Dezember 1925 sollte Das Mädchen  mit den Schwefelhölzern als erster echter Tonfilm Premiere feiern,  allerdings geriet die Vorstellung zum Desaster, weil die Technik versagte. Danach stieg die UFA aus dem gemeinsamen Projekt aus. (vgl. Anonym c) 1927 gründete die Tri-Ergon Musik-AG schließlich das Tochterunternehmen Tobis-Klangfilm-Syndikat AG, die als Tobis Klangfilm bis 1933 zur größten deutschen Filmproduktionsgesellschaft nach der UFA wurde.

[7]

Otto von Estorff und Gerhard Winkler hatten für die "Wochenend West Grundstücks A.G.", die das Gelände östlich des Groß Glienicker Sees parzellierte, bereits den  Bebauungsplan entworfen, der eine zum See hin orientierte und auf Erholung ausgerichtete Nutzung der Grundstücke vorsah (vgl. Bankmann 2015, 214 ff.).

[8]

Erläuterungen 1997.

Quellenverzeichnis

Joseph Massolle in der Deutschen Biographie

Joseph Massolle bei Filmportal.de

Joseph Massolle bei Wikipedia

Anonym a (o. J.): "Walter Ruttmann" (Wikipedia-Artikel). https://www.wikiwand.com/de/Walter_Ruttmann (26.06.2021)

Anonym b (o. J.): "Die wichtigsten deutschen Filme - Chronologische Übersicht" (Webseite). filmportal.de. https://www.filmportal.de/thema/die-wichtigsten-deutschen-filme-chronologische-uebersicht (26.06.2021)

Anonym c (o. J.): "Die Tri-Ergon-Abteilung der UFA" (Webseite). filmportal.de. https://www.filmportal.de/thema/die-tri-ergon-abteilung-der-ufa (26.06.2021)

Bankmann, Karl (2015): Geschichte und Entwicklung der Siedlungen rund um den Groß Glienicker See 1927 - 1945. In: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte, 66. Band. Berlin 2015, S. 211 - 230 (der Aufsatz kann hier als Sonderdruck heruntergeladen werden)

Erläuterungen zum Vorliegen der Merkmale eines Denkmals nach § 2 DSchG Bln vom 24.4.95 für das Grundstück Waldallee 63, 63 A - E, 64. Landesdenkmalamt Berlin LDA D 15 v. 04.03.1997.

Kaes, Anton (2004): "Film in der Weimarer Republik". In: Jacobsen, Wolfgang et al. (Hrsg.): Geschichte des deutschen Films. 2. akt. und erw. Auflage, Stuttgart - Weimar: Springer.

Kempe, Fritz (1972): "Als die Bilder sprechen lernten. Erinnerungen an die ersten Tage des Tonfilms". In: Hamburger Abendblatt 215 (15.09.1972), S. 28 (Theater - Kunst und Wissen).

Krakauer, Siegfried (1930): "Westfront 1918". In: Frankfurter Zeitung 389-391 (27.05.1930).

Wollenberg, Hans (1930): "Westfront 1918 (Vier von der Infanterie)". In: Lichtbild-Bühne Nr. 124 (24.05.1930).