Helmut Völker

Autor:

Helmut Völker

06.08.2022 (ergänzt und erweitert 08.09.2024)

Sänger, Schauspieler und Liedertexter

(Pseudonyme: Fred Barny, Franz L. Berthold)

geboren am 01.12.1890 in Stettin

gestorben am 23.12.1965 in Berlin

Foto von Franz Baumann

Foto: Atelier Willinger, Berlin (vor 1920)

Ausbildung und Erfolge

Franz Ludwig Berthold Baumann, der sieben Sprachen sprechen konnte [1], hatte in Berlin sowie in Jena und Heidelberg zunächst Germanistik studiert. Danach führte ihn seine Gesangsausbildung nach Wiesbaden, Mailand und Neapel; u. a. war er Schüler von Enrico Caruso. Sein Repertoire umfasste neben Volks- und Operettenliedern sowie populären Schlagern besonders Lieder von Franz Schubert. Er war nicht nur in Deutschland sehr erfolgreich; seine Konzertreisen führten ihn u.a. mehrfach nach Holland und in die Schweiz, und da sich seine Stimme gut für das neue Medium Rundfunk eignete, sang er auch im Radio von Paris und beim BBC. Bis weit in die dreißiger Jahre hinein galt er als "beliebtester Rundfunktenor" [2] in Deutschland.

Beispiele seines Schaffens

Nach dem Ersten Weltkrieg wirkte er bis 1933 in einigen Filmen als Schauspieler mit und schrieb eher unpolitische Lieder für Filme wie Drei Mäderl um Schubert mit Paul Hörbiger (Regie: E. W. Emo, 1936), Der Bettelstudent mit Johannes Heesters und Marika Rökk (Regie: Georg Jacoby, 1936) oder La Habanera mit Zarah Leander (Regie: Detlef Sierck, 1937). 1928 schrieb er unter seinem Pseudonym Fred Barny den deutschen Text für den Titelsong des amerikanischen Stummfilm-Melodrams Ramona (Regie: Edwin Carewe, 1928) und nahm dieses Lied selbst bei der Deutschen Grammophon sowohl in einer deutschen als auch in einer englischen Fassung auf.

Szene aus "Das Deutsche Lied"

Szene aus dem Film "Das Deutsche Lied" (Ross-Verlag 1928, Fotograf unbekannt) - Franz Baumann in der Mitte

Tonaufnahmen mit Franz Baumann

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Ramona war sicher einer der erfolgreichsten Liedtexte Baumanns. Heute ist das Lied vor allem im 4/4-Takt bekannt und zählt zu den Evergreens der Schlagergeschichte. 1960 blieb es in der Interpretation der Blue Diamonds für drei Monate an der Spitze der deutschen Singlecharts und verkaufte sich über eine Million mal. 1970 wurde es noch einmal von Freddy Quinn interpretiert. Leider gibt es keine frei verfügbare Aufnahme von Franz Baumann selbst. [3]

Einen weiteren sehr bekannten Hit landete Baumann 1936 mit seinem Text zu dem von Hermann Krome, der wie Baumann in Groß Glienicke lebte, komponierten Lied Immer Hummel, Hummel mit Humor! 

Hans Hummel - eigentlich Johann Wilhem Bentz (1787 bis 1854) - war als Hamburger Original Wasserträger in der Neustadt. Der Überlieferung nach riefen ihm die Kinder den Spottnamen "Hummel, Hummel" hinterher, und er antwortete mit "Mors, Mors". Unter seinem Pseudonym Franz L. Berthold meldete Baumann den Liedtext am 11. Juni 1936 bei der Stagma (Vorläuferin der heutigen Gema) an. 

Stagma-Anmeldung "Hummel, Hummel"

Stagma-Anmeldung für "Hummel, Hummel..."

(Quelle: Familie Baumann)

Die Verwechslungskomödie Nanon kam 1938 in die Kinos. Unter der Regie von Herbert Maisch spielten neben der Koloratursopranistin Erna Sack auch Johannes Heesters und Otto Gebühr weitere Hauptrollen. Die Musik zu dem UFA-Film komponierte Alois Melichar, und Franz Baumann schrieb dazu die Texte.

Auch für den ebenfalls in Groß Glienicke lebenden Komponisten Will Meisel schrieb Franz Baumann mehrere Texte, zum Beispiel Ende August 1939 den Schlager So schön wie Du bist, möchte ich auch mal sein.

Nur eine Woche später begann der schreckliche Zweite Weltkrieg.

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Aufnahme des Eugen Wolff Orchesters mit den Metropol Vocalists

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Franz Baumann und die Politik

1931 hatte er den Text des Liedes Weit ist der Weg zurück ins Heimatland geschrieben und selbst auf Schellackplatte gesungen. Es fand 1933 Verwendung im ausländerfeindlichen Propagandafilm Flüchtlinge (Regie: Gustav Ucicky, 1933) [4] und wurde mit Textänderungen zum einem Kampflied der Hitlerjugend. [5] Bemerkenswerterweise fand man es nach dem 2. Weltkrieg noch in Liederbüchern der Bundeswehr. Nach dem Ende des Nationalsozialismus betonte Baumann, man habe seine Lieder verfälscht; allerdings textete er für das Arbeitsdienst-Liederbuch von 1934 auch das Lied Deutschland, du Land der Treue mit dem Refrain 

Hakenkreuzfahnen, schwarz, weiß und rot,

grüßen und mahnen: Seid getreu bis zum Tod!

Deutsche, seid Brüder, reicht euch die Hand!

Heil unserm Führer! Heil dem Vaterland!

Baumann war bereits 1933 der NSDAP beigetreten, wurde aber als Mitglied der liberalen Freimaurerloge "Germania zur Einigkeit" vom Kreisgericht IV im Gau Groß-Berlin am 17.08.1934 auf Lebenszeit für "unwürdig" erklärt, ein Parteiamt zu bekleiden. [6] Nach dem Ende des 2. Weltkriegs bemühte er sich um politische Rehabilitierung und versuchte, sich als jemanden darzustellen, der "seit nahezu 12 Jahren mit Wort und Tat gegen den Hitlerfaschismus" [7] gekämpft habe. In einem umfangreichen Bericht schilderte er seine Desillusionierung nach 1934, die er als Weg "vom Parteigänger zum wütenden und unversöhnlichsten Parteifeind und Nazihasser" beschrieb, "wütend auf mich selbst, weil ich in unverantwortlicher, vertrauensseliger Dummheit mich von diesen ungeheuerlichen Verbrechern habe düpieren und fangen lassen". An mehreren Beispielen erläuterte er seine "jahrelange beharrliche Agitation und unablässige Wühlarbeit gegen Nazismus". [8] Höhepunkt soll eine Aktion gewesen sein, bei der er zu Neujahr 1945 mehreren Parteiführern - u. a. Goebbels, Göring und dem Leiter der Filmabteilung im Propagandaministerium, Hans Hinkel - eine Postkarte mit einem an das Loreley-Lied angelehnten Text geschickt haben soll. [9]

Karte 1

Vorderseite

Postkarte Baumann Rückseite

Rückseite

Der Wahrheitsgehalt dieser Erklärungen, insbesondere seiner Postkartenaktion, die durchaus ein Todesurteil hätte zur Folge haben können, lässt sich heute nicht mehr im Detail überprüfen. Aber in zwei eidesstattlichen Versicherungen wird Baumann am 30.05.1945 bescheinigt, 1940 einen hohen Parteifunktionär, der seine Frau im betrunkenen Zustand beschimpft und bedroht hatte, couragiert verprügelt und 1942 einer jüdischen Frau im Bedarfsfall Aufnahme und Schutz angeboten zu haben. [10]  

Über den Ausgang des Verfahrens erfahren wir aus den Akten leider nichts mehr, aber da das Gebiet östlich des Groß Glienicker Sees, in dem Baumann wohnte, durch Gebietstausch Ende August 1945 an den britischen Sektor fiel und im Juni 1946 verwaltungsmäßig in den Ortsteil Kladow eingegliedert wurde, dürfte das Verfahren wegen der neuen Zuständigkeiten nicht fortgeführt worden sein.

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Von einer Anekdote noch aus der Zeit der russischen Besatzung berichtet seine Tochter Friedl: Im Sommer 1945 erfuhr ihre Mutter, dass Franz Baumann verhaftet werden sollte. Daraufhin fertigte sie für ihren Mann aus Wasser und Mehl eine Art Gipsverband, so als habe er ein gebrochenes Bein. Als die sowjetischen Soldaten ihn verhaften wollten, konnten sie ihn deshalb nicht mitnehmen. Es gehört zu den tragischen Kuriositäten in Baumanns Leben, dass er sich zehn Jahre später bei einem Unfall tatsächlich beide Beine brach. [11]

Wenn sich Baumann im Nachhinein selbst zum einen als "vertrauensselig dumm" und zum anderen als "beharrlich gegen den Nazismus" Agierenden bezeichnete, so mag das durch eine Mischung aus Verdrängung, Selbstbetrug und Überlebenwollen begründet sein. Wenn man aus heutiger Sicht über dieses Verhalten urteilen will, so gehört es zur Aufrichtigkeit, sich zu fragen, wie man sich damals wohl selbst verhalten hat oder sich im Nachhinein gern verhalten hätte.

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs arbeitete Franz Baumann noch einige Jahre als Gesangslehrer und im - bis 1952 unter russischer Verwaltung stehenden - "Haus des Rundfunks" in der Masurenallee, lebte aber im Wesentlichen von den Tantiemen seiner erfolgreichen Texte.

Ein letztes bedeutendes Werk entstand 1957 mit der Orchestersuite Lied eines Lebens von Willy Czernik und nach musikalischen Motiven von Friedemund Madaus, zu der Baumann die Texte beisteuerte. Komponist und Autor widmeten das Werk Albert Schweitzer, "dem großen Helfer der Menschheit und Vorkämpfer für Frieden". [12]

Zu seinem 60. Künstlerjubiläum erhielt Baumann unter der Überschrift "Sänger und Dichter" eine - leider nur noch anonym überlieferte - Lobrede, in der erwähnt wird, dass er dieses Werk zu Ehren des Arztes von Lambarene als "Krönung seiner künstlerischen Tätigkeit überhaupt" empfand.

Orchestersuite "Lied eines Lebens"
Widmung für Albert Schweitzer

Familie

Baumann hatte in den dreißiger Jahren geheiratet. Das Ehepaar bekam 1939 die Tochter Friedl, 1942 wurde der Sohn Franz geboren. Die Ehe war jedoch sehr unglücklich, und die Mutter von Friedl verschwand über Nacht mit dem Sohn, ohne Ankündigung oder Nachricht. So war Friedl plötzlich allein mit dem Vater und kam zeitweise in ein Kinderheim in Kladow. Im Alter von 17 Jahren musste sie ganz aus dem elterlichen Haus ausziehen. Baumann war in seinem letzten Lebensjahrzehnt auf pflegerische Hilfe angewiesen und holte sich dafür eine Frau ins Haus, die ihn versorgen sollte. Sie verhinderte jeden weiteren Kontakt zwischen Baumann und seiner Tochter. Kurz vor seinem Tod am 23. Dezember 1965 heiratete er diese Frau und vermachte ihr ein ständiges Wohnrecht in seinem Haus, das er 1937 in der Uferpromenade in Groß Glienicke (heute Berlin-Spandau) erworben hatte. Die Tochter erhielt das Haus erst 2010 zurück, nachdem ihre Stiefmutter verstorben war. [13|

Filmografie

1. als Darsteller

Das Gelübde der Keuschheit. D 1919, Regie: Nils Olaf Chrisander (Deutsche Bioscope GmbH, Berlin) (weitere Informationen zum Film bei filmportal.de. Interessanterweise wird Franz Baumann hier - im Gegensatz zur International Movie Database - nicht als Darsteller gelistet.)

Die weißen Rosen von Ravensberg. D 1919, Regie: Nils Olaf Chrisander, 47 min. (Deutsche Bioscope GmbH, Berlin)

Hoppla, Herr Lehrer. D 1920, Regie: Emil Albes (Deutsche Bioscope GmbH, Berlin)

Ich war zu Heidelberg Student. D 1927, Regie: Wolfgang Neff (F. P. G. Film-Produktions-Gemeinschaft mbH, Berlin)

Das deutsche Lied. D 1928, Regie: Karl Pindl (Döring-Filmwerke GmbH, Hannover)

In Jena sind alle Mädels so blond. D 1929, Johannes Guter, 7 min. (Universum-Film AG, Berlin)

Student sein, wenn die Veilchen blühen. D 1930, Regie: Heinz Paul (Ines Internationale Spielfilm-GmbH, Berlin)

Der falsche Tenor. D. 1932, Regie: Ludwig Beck, 30 min. (Universum-Film AG, Berlin)

Die kleine Schwindlerin. D 1933, Regie: Johannes Meyer, 76 min. (T. K. Tonfilm-Produktion, Berlin)

2. mit Liedtexten

Flüchtlinge. D 1933, Regie: Gustav Ucicky, 87 min. (Universum-Film AG, Berlin)

Das Mädchen Irene. D 1936, Regie: Reinhold Schünzel, 95 min. (Universum-Film AG, Berlin)

Ave Maria. D 1936, Regie: Johannes Riemann (Itala-Film GmbH, Berlin)

Der Bettelstudent. D 1936, Regie: Georg Jacoby, 94 min. (Universum-Film AG, Berlin)

Die Stimme des Herzens. D 1936, Regie: Karlheinz Martin, 88 min. (Bavaria Film AG, München)

La Habanera. D 1937, Regie: Detlef Dierck, 98 min. (Universum-Film AG, Berlin)

Urlaub auf Ehrenwort. D 1937, Regie: Karl Ritter, 87 min. (Universum-Film AG, Berlin)

Capriccio. D 1938, Regie: Karl Ritter, 95 min. (Universum-Film AG, Berlin)

Nanon. D 1938, Regie: Herbert Maisch, 83 min. (Universum-Film AG, Berlin)

Mein Leben für Irland. D 1940, Regie: Max W. Kimmich, 97 min. (Tobis-Filmkunst GmbH, Berlin)

Quellenhinweise

[1]

persönliche Mitteilung von Friedl Ceron-Herrero, geb. Baumann (Tochter) und Susanne Ceron Baumann (Enkelin) 2022.

[2]

Berthold Leimbach (Hg.): Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898–1945. Göttingen 1991; zit. nach Anonym: "Franz Baumann (Sänger)". (Artikel). Wikipediahttps://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Baumann_(Sänger)

[3]

s. Anonym: "Ramona (Lied)". (Artikel) Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Ramona_(Lied)). Die umfangreichste Zusammenstellung der aktuell noch erhältlichen 16 Baumann-Stücke findet sich bei discogs.com.

[4]

Der Film Flüchtlinge galt als erster echter, vom "neuen Geist" getragener Propagandafilm der Nationalsozialisten. Er wurde am 8. Dezember 1933 in Berlin uraufgeführt und erhielt am 1. Mai 1934 den kurz vorher geschaffenen NS-Staatspreis sowie das Prädikat "staatspolitisch und künstlerisch wertvoll". Das Marschlied Weit ist der Weg zurück ins Heimatland, komponiert von Ernst Erich Buder, war vorher bereits für den - politisch diametral entgegengesetzten und von den Nationalsozialisten bereits im April 1933 verbotenen - Antikriegsfilm Die andere Seite (Regie: Heinz Paul, 1931)verwendet worden,

[5]

s. Anonym: "Franz Baumann (Sänger)". (Artikel). Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Baumann_(Sänger)

[6]

Kreisarchiv Potsdam-Mittelmark (Belzig), Akten der Gemeindeverwaltung Groß Glienicke. 51.22/8 Entnazifizierung.

[7]

ebd., Schreiben v. 11. Juni 1945 an den Leiter der Antifaschistischen Front in Groß Glienicke.

[8]

ebd., Bericht vom 17. Juni 1945.

[9]

Die Postkarte findet sich im Original in den Akten des Kreisarchivs Potrsdam-Mittelmark (ebd.). 

[10]

ebd., Eidesstattliche Versicherungen Hans und Rose Jaeger und Elisabeth Schmidt v. 30. Mai 1945.

[11]

persönliche Mitteilung (s. Anm. 1).

[12]

W[illy] Czernik: Das Lied eines Lebens. Suite nach 4 Episoden für Sopran, Alt, Tenor, Bass und großes Orchester. nach Motiven von Friedemund Madaus. Text von Franz Baumann. Orchesterpartitur. Würzburg (Universitätsdruckerei H. Stürtz) 1958. 86 S.

[13]

persönliche Mitteilung (s. Anm. 1).

Franz Baumann in filmportal.de

Franz Baumann in der International Movie Database (englisch)


Wir danken ausdrücklich Franz Baumanns Tochter, Friedl Ceron-Herrero, geb. Baumann, und der Enkelin Susanne Ceron Baumann für die ausführliche und zugewandte Unterstützung bei der Recherche.