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Meinhard Jacobs

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Meinhard Jacobs

20.07.2023

Porträtskizze von Hannelore Schroth

Porträtskizze: Holger Fahrland

Hannelore Schroth wurde am 10. Januar 1922 in eine Berliner Theaterfamilie hineingeboren. Ihr Vater Heinrich Schroth – Schauspieler in der 5. Generation – hatte 1890 mit 21 Jahren sein Debüt am fürstlichen Theater von Sigmaringen gegeben und spielte nach Stationen in Augsburg, Mainz, Hannover und Hamburg seit 1905 in Berlin, ihre Mutter Käthe Haack bekam ihr erstes Engagement 1914 mit 17 Jahren am Stadttheater in Göttingen und – noch im selben Jahr – am Lessing-Theater in Berlin, wo sie während einer Vorstellung ihren späteren Mann kennenlernte. Beide wirkten 1915 (Käthe Haack) bzw. 1916 (Heinrich Schroth) zum ersten Mal in einem Film mit und gehörten vor allem in den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu den Stars des deutschen Kinos.

Bei diesem familiären Hintergrund überrascht es nicht, dass die kleine Hannelore schon als Kind Theater- und Filmluft schnuppern konnte. Mit neun Jahren spielte sie an der Seite ihrer Mutter unter der Regie von Max Ophüls in … dann schon lieber Lebertran! mit, eine kleine Rollentauschgeschichte nach einem Drehbuch von Erich Kästner.

Die Kinder beschweren sich beim lieben Gott, dass sie nie ausgehen dürfen und abends immer ins Bett gesteckt werden, und obendrein müssen sie dann auch noch einen Löffel Lebertran schlucken. In Abwesenheit des Herrn beschließt der heilige Petrus, den Wunsch der Kinder zu erfüllen. Am nächsten Morgen ist der Rollentausch perfekt: der Eltern müssen in die Schule, und die Kinder dürfen ins Büro und abends auf den Ball. Am Ende eines anstrengenden Tages und nach vielen Komplikationen kommt die Erkenntnis: So toll ist das doch nicht - die Kinder haben genug davon und schlucken jetzt auch gern den verabscheuten Lebertran.

Der Film gilt heute als verschollen. 1)

Dann schon lieber Lebertran

Filmszene mit Hannelore Schroth und ihrer Mutter Käthe Haack (Quelle: Filmwelt Nr. 37 vom 13.09.1931 - Archiv M. Jacobs)

Das blieb aber zunächst der einzige Ausflug in die Filmwelt. Nach einem kurzen Gastspiel auf dem Grunewaldlyzeum besuchte Hannelore Schroth das Internat Hermannswerder bei Potsdam und ging mit 15 Jahren – 1937 – schließlich in eine Privatschule nach Lausanne, um vor allem Französisch und Englisch zu lernen.

Sie hielt es dort aber nicht lange aus, haute ab, kam gegen den Willen der Eltern nach Berlin zurück und begann mit Schauspielunterricht. Sie wollte zunächst zur Bühne und später dann zum Film.

Doch es kam anders. Im Mai 1938 besuchte sie ihr Stiefbruder Carl-Heinz Schroth, der in Hamburg bereits ein erfolgreicher Schauspieler war; beide trafen am Abend in einem Künstlerlokal unter anderem den Cutter Roger von Norman, der für seinen ersten eigenen Film noch eine Hauptdarstellerin suchte. Ihm fiel die junge, gerade 16jährige Hannelore auf, und er bot ihr die Rolle der Änne Osterkamp in der Komödie Spiel im Sommerwind an. Sie griff sofort zu – und wurde über Nacht zu einer kleinen Berühmtheit. 2)

Spiel im Sommerwind

Illustrierter Film-Kurier Nr. 2897 (Archiv M. Jacobs)

Spiel im Sommerwind

Auch bei ihrem zweiten Film Der Gouverneur (Regie: Viktor Tourjansky, gedreht zwischen Januar und März 1939) wurden ihre Leistungen von der Presse sehr gelobt. So hob etwa Werner Fiedler in der Deutsche Allgemeine Zeitung ihren „jugendfrischen Charme“ hervor und fuhr dann fort: 3)

„Auch bei der zweiten Begegnung erfreut dieses Schauspielerkind durch eine seltene Anmut und hübsche Natürlichkeit, so daß wir hier anscheinend einem jener Glücksfälle begegnen, da sich zufällig Jugend und ererbte Begabung zu einem neuen dauerhaften Talent zusammenfinden“

Deutsche Allgemeine Zeitung

Danach ging es Schlag auf Schlag. Kitty und die Weltkonferenz (1939), Weißer Flieder (1939/40), Sophienlund (1942/43), Taxi Kitty (1950) und Alle lieben Peter (1959) waren einige ihrer Filme, aber auch Vor Sonnenuntergang (1956), Der Hauptmann von Köpenick (1956) und Liebling der Götter (1960). Außerdem lieh sie als gefragte Synchronsprecherin ihre Stimme unter anderem Paulette Goddard (in Der große Diktator, 1958 synchronisiert), Jeanne Moreau (in mehreren Filmen 1961, 1962 und 1964), Shirley MacLaine (1963 in Irma La Douce), Elizabeth Taylor (1966 in Wer hat Angst vor Virginia Woolf?) oder Ingrid Bergmann (1982 als Golda Meir). 4)

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Kitty und die Weltkonferenz (D 1939, Regie: Helmut Käutner)

Obwohl sie in mehr als 80 Filmen mitspielte, galt ihre eigentliche Liebe dem Theater. Die Filme – vor allem die frühen der UFA – waren zwar große Publikumserfolge, gehörten künstlerisch aber meist zur leichten Muse, waren schnell abgedrehte Unterhaltungsstreifen mit wenig Tiefgang.

Im Theater dagegen entwickelte sich Hannelore Schroth zur Charakterdarstellerin.

Bereits mit 17 Jahren hatte sie als Rautendelein in Gerhart Hauptmanns Versdrama Die versunkene Glocke debütiert, nach Kriegsende spielte sie zunächst am Wiener Theater in der Josefstadt, danach holte sie Gustav Gründgens an das Düsseldorfer Schauspielhaus. Später gastierte sie an vielen deutschen Bühnen und glänzte etwa als Jeanne d‘Arc in Jeanne oder Die Lerche von Jean Anouilh, als Spelunken-Jenny in der Dreigroschenoper, als Kate im Cole Porter-Musical Kiss me Kate, als Blanche in Endstation Sehnsucht oder als Yvette Pottier neben Lotte Lenya im Brecht-Drama Mutter Courage und ihre Kinder; für ihre Darstellung der Claire Zachanassian in Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame erhielt sie 1969 den „Großen Hersfeld-Preis“ der Bad Hersfelder Festspiele.

„Natürlich will ich können, daß die Leute weinen, wenn ich spiele. Aber ich will ebenso, daß die Leute lachen und froh werden und ein Glücklichsein mit nach Hause nehmen. Das ist doch der Sinn des Spiels: alles zu verwandeln, das eigene Ich und das der anderen, sie sollen sich vergessen und ein gegaukeltes Leben leben.“


Hannelore Schroth

Rhein-Echo Düsseldorf v. 11.07.1950

Hannelore Schroth in "Unter den Brücken"

© Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden 

Anfang der 70er Jahre erkrankte sie an einer sehr schmerzhaften chronischen Entzündung des Gesichtsnervs. Sie wurde mit allen möglichen Medikamenten behandelt, aber nichts half. Schließlich konnte sie ihren Beruf nicht mehr auszuüben und versuchte zunehmend, die Schmerzen mit Alkohol zu betäuben. Diese Zeit hat sie mehrfach als die „schlimmsten Jahre ihres Lebens“ bezeichnet 5). Erst eine Operation gab ihr wieder Lebensmut, und nach einigen kleineren Rollen gelang ihr 1982 ein Comeback mit dem Fernsehfilm Erinnerung - Sicaron von Richard Blank, in dem sie eine alternde Diva aus Frankfurt darstellte, die nicht begreifen will, dass ihre Karriere schon lange zu Ende ist, und nach Israel reist, um ihren ersten Regisseur zu suchen, der in Wahrheit im Konzentrationslager umgekommen ist. Die Ausstrahlung ihrer letzten Filme Herz mit Löffel und Fridolins Heimkehr – beide ebenfalls unter der Regie von Richard Blank – sowie Wann - wenn nicht jetzt? von Michael Juncker erlebte sie nicht mehr. Sie starb am 7. Juli 1987 nur wenige Monate nach ihrem 65. Geburtstag in ihrer kleinen Münchner Wohnung an Herzversagen.

Unter den Brücken

Der künstlerisch bedeutendste Film mit Hannelore Schroth war Helmut Käutners bitter-melancholische Flussschiffer-Ballade Unter den Brücken. Sie erzählt von Hendrik (Carl Raddatz) und Willy (Gustav Knuth) - zwei hemdsärmelige Binnenschiffer, die auf der Havel fahren, hier und da eine Freundin haben und von einem Kahn mit Dieselmotor träumen. Auf der Glienicker Brücke bei Potsdam beobachten sie eines Abends eine junge Frau (Hannelore Schroth) und fürchten, sie wolle in den Tod springen. Sie nehmen sie an Bord ihres Schleppkahns, um sie nach Berlin zu bringen. Natürlich verlieben sich beide in sie. Das führt zu Konflikten, und da sie Freunde sind, beschließen sie, dass derjenige, den Anna auswählt, auf seine Anteile am Schiff verzichtet. Dass es dann doch anders kommt, ist einer der Zauber dieses Films.

Unter den Brücken

Illustrierte Film-Bühne Nr. 798 (Archiv M. Jacobs)

Der Film wurde in seinem poetischen Realismus oft mit Werken von Jean Renoir oder Marcel Carné verglichen, und man mag im Nachhinein gar nicht glauben, dass er im Sommer und Herbst 1944 in und um Berlin gedreht wurde, während es dort die heftigsten Kämpfe gab. Davon ist hier nichts zu spüren. Für Rainer Rother hatte sich der Film mit seiner Leichtigkeit, seiner dichten Atmosphäre und seinen zarten Bildern ohne jeden Pathos „aus der Zeit gestohlen6), und Christian Petzold bezeichnet ihn gar als "desertiert" 7), weil er Nazis, Krieg, Tod und Zerstörung ausblendet und sich in eine Welt träumt, in der es andere Prioritäten gibt. Mit dem Kino jener Jahre - etwa mit Veit Harlans zur selben Zeit gedrehtem Durchhalteepos Kolberg - hatte Unter den Brücken nichts zu tun.

alle Fotos: © Friedrich-Murnau-Stiftung, Wiesbaden

Der Film passierte im März 1945 zwar noch die Zensur, kam aber nicht mehr in die Kinos. Im Zuge der sowjetischen Besatzung wurde das Originalnegativ des Films und die schon gezogenen Kopien vernichtet. Die einzig erhaltene Kopie fand sich nach Kriegsende in Schweden, und von ihr wurden dann Vorführkopien gezogenen. Öffentlich gezeigt wurde der Film zum ersten Mal 1946 beim Filmfestival in Locarno - übrigens mit großem Erfolg 8)  -, während die Reaktion in Bundesrepublik nach der deutschen Uraufführung am 15.05.1950 sehr verhalten war. Direkt nach Kriegsende war die Zeit noch nicht reif, um den großen künstlerischen Wert des Filmes zu erkennen.

1995 wurde Unter den Brücken bei einer Umfrage unter 324 Filmexperten auf Platz 18 der wichtigsten deutschen Filme gewählt. 9)

Hannelore Schroth und Carl Raddatz

In diesem Film spielen Hannelore Schroth und Curt Raddatz eine der schönsten, intimsten und berührendsten Liebesszenen des deutschen Kinos.

Raddatz besucht sie in ihrer Berliner Wohnung und bringt ihr Kornblumen mit, während sie ihm Kartoffelpuffer zubereitet und ihm dann anbietet, seine Finger vom hartnäckigen Teer unter den Nägeln zu säubern.

So beugen sie sich also gemeinsam über eine Schüssel mit Seifenlauge, und während sie ihm die Finger schrubbt, blickt er sie an und sieht, wie ihr immer wieder eine Haarlocke in die Stirn fällt. Nach einiger Zeit kann er sich nicht mehr an sich halten und pustet ihr die widerspenstige Locke einfach aus der Stirn. Woraufhin sie empört den unvergleichlichen Satz sagt: ‚Sie können mich doch nicht einfach anpusten.‘ Und Raddatz antwortet: „Entschuldigen Sie. Ich musste einfach … die Locke … Ich mach’s nicht mehr.“

Und dann schrubbt sie weiter, und wieder fällt die Locke in die Stirn, und Raddatz ist wieder versucht, aber kann sich noch bezähmen. Da schielt sie hinauf zu ihrer Locke und dann zu Raddatz - und nach einer kleinen Ewigkeit dieses Blickwechsels sagt Raddatz ganz kleinlaut: "Hab' nicht mehr gepustet." Unterdessen ist es Abend geworden, und die Kamera fährt aufs offene Fenster zu und blickt auf die Zigarrenreklame auf der gegenüberliegenden Wand und die Bahnlinie, als wollte sie unsere Gefühle mit hinaustragen in den Himmel über Berlin. 10)

Carl Raddatz und Hannelore Schroth hatten bereits 1943 einen gemeinsamen Liebesfilm gedreht (Eine Frau für drei Tage von Fritz Kirchhoff), aber wirklich „gefunkt“ hat es wohl erst im darauffolgenden Jahr: Nach Abschluss der Dreharbeiten von Unter den Brücken im Oktober 1944 heirateten beide – mit Gustav Knuth und Helmut Käutner als Trauzeugen. 11)

Allerdings hielt die Ehe nicht lange. Hannelore Schroth verliebte sich - wahrscheinlich schon Ende 1944 - in den Tiefseeforscher Hans Hass (damals noch Haß geschrieben), den sie in den Babelsberger UFA-Studios kennengelernt hatte, als er an seinem Film Menschen unter Haien arbeitete. Carl Raddatz reichte daraufhin die Scheidung ein, und am 30.06.1945 heirateten Hass und Schroth im österreichischen Mayrhofen (s. u.).

Das Sommerhaus in Groß Glienicke

1936 hatte die Familie in Groß Glienicke ein Grundstück erworben, nachdem Heinrich Schroth einen Herzinfarkt erlitten und sein Arzt ihm geraten hatte, wegen der Wälder und der guten Luft mehr Zeit auf dem Land zu verbringen. „Damals kauften wir das Grundstück am Groß Glienicker See, ließen 60 Obstbäume setzen und fingen an zu bauen.“ 12).

Dieses Sommerhaus - es steht heute noch in der Isoldestr. 36, hat aber kein Strohdach mehr – war für die Familie ein wichtiger Fixpunkt. Käthe Haack spricht in ihren Lebenserinnerungen immer wieder vom „geliebten Häuschen“, vom „herrlichen, abenteuerlichen Paradies“ und vom „Juwel“; ein ganzes Kapitel ihrer Autobiografie hat sie dem „kleinen Sommerhaus“ gewidmet.

Landhaus Haack-Schrot

Käthe Haack vor dem Sommerhaus. © Ortschronik Groß Glienicke (Fotograf unbekannt)

Ansiedlungsbescheinigung Käthe Haack

Ansiedlungsbescheinigung vom März 1936 (Kreisarchiv Potsdam-Mittelmark in Belzig, Signatur 50.22/2)

Kleine Geschichten aus dem Leben in Groß Glienicke  

Eines Morgens steht Hannelore Schroth in Glienicke … im Milchgeschäft, um das Frühstück zu holen.

Da betritt ein Mann den Laden. Als er die Schauspielerin erkannt hat, betrachtet er sie erstaunt von Kopf bis Fuß. Endlich kommt es mißbilligend von seinen Lippen: „Nee, Sie sind aber 'ne Enttäuschung! Sie hab‘ ick mir janz anders vorjestellt, Frollein Schroth! Im Film ein piekfeines junges Mädchen, - und jetzt, wie seh’n Sie denn aus, mit den wilden Haaren und dem schwarzen Teint und in Hosen, also wie ein Zijeuner!“

Nach einer kleinen Pause fährt er in seiner Rede fort: „Was sagt denn ihre Mutter dazu?“

„Oh, die sagt, ‚das ist gesund!‘ und macht es ebenso!“ ist die spitzbübische Antwort.

Jetzt grinst der Mann übers ganze Gesicht: „Eigentlich haben Sie recht! Im Ballkleid können sie schließlich nicht durch die Gegen hüpfen. Frollein Schroth, wollen Sie mir nicht Ihr Bild mit Unterschrift schenken?“

Und so verläßt unsere junge Freundin den Laden: Ihren Topf Milch in der einen Hand, in der anderen hält sie die Tüte warmer Semmeln und einen kleinen Zettel mit der Adresse ihres zuerst enttäuschten und dann besiegten Verehrer.

(Film-Anekdoten 1941. Wahre Geschichten aus dem Leben unserer Filmkünstler. Gesammelt und herausgegeben von Käthe Brinker. Berlin 1941, S. 72)

Eine andere, ebenfalls von Käthe Brinker kolportierte Geschichte, die später in diversen Medien immer wieder nacherzählt wurde - die siebenjährige Hannelore soll während eines Festes öffentlich auf der Straße in Groß Glienicke Marlene Dietrich-Lieder "mit Bravour und mit Erfolg" gesungen und anschließend dafür Geld eingesammelt haben (Käthe Brinker: Hannelore Schroth - Käte Haack. Mutter und Tochter. Berlin o.J. (1940), S. 8) -, kann so allerdings nicht stimmen: 1929 wäre es noch gar nicht möglich gewesen, das Grundstück zu kaufen, auf dem die Familie später ihr Sommerhaus errichtet haben. Käthe Haack selbst klärt später in ihren Lebenserinnerungen auf, dass es das Ereignis zwar tatsächlich gegeben hat, dass es sich aber schon 1927 in Caputh am Schwielowsee abgespielt hatte, wo die Familie vor Groß Glienicke ein Sommerhaus besaß.

Nach den verheerenden Bombenangriffen auf Berlin im November 1943, bei denen auch ihre Wohnung in der Duisburger Str. 2a erheblich beschädigt worden war, zog Käthe Haack mit ihrem Mann ganz nach Groß Glienicke. Ihre Tochter Hannelore kam, „bei Freunden am anderen Ende des Sees“ 13) unter, und ihr Stiefsohn Carl-Heinz Schroth folgte mit seiner Frau Ruth Hausmeister und der dreijährigen Tochter Sabine wenig später nach.

Wie der Personalfragebogen von Ruth Hausmeister aus dem Juni 1947 zeigt, wohnten sie zunächst bei einer anderen Familie in der Nachbarschaft 14) und zogen im März 1945 zur Mutter, die nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes am 13.01.1945 allein dort lebte.

Personalfragebogen Ruth Hausmeister 1947

Quelle: Kreisarchiv Potsdam-Mittelmark in Belzig. Akten der Gemeindeverwaltung Groß Glienicke (Sign. 51/22)

In ihren Lebenserinnerungen berichtet Käthe Haack, wie sie das Ende des Krieges im Sommerhaus erlebte: 15)

Die letzten Tage im Kampf um Berlin waren gekommen. Schrecklich einsam war es in meinem kleinen Häuschen in Glienicke. Da war es für mich eine große Beruhigung, daß Ruth Hausmeister mit ihrer Tochter Sabine zu mir zog. Der große Garten hatte viel Obst, ich hatte Gemüse und Kartoffeln angepflanzt, und so konnten wir uns einigermaßen versorgen. Vom nahen Gut bekamen wir Zuckerrüben, Holz gab es im Wald, und wir kochten Sirup, der uns die ganzen nächsten Monate sehr zustatten kam.

Die Russen rückten näher. Wir hörten schon in der Ferne das Grollen der Kanonen. Aber irgendwie blieben wir ruhiger als in Berlin selbst. Mein Keller war zu klein, deshalb wurden wir bei Alarm von Freunden, die neben uns wohnten, aufgenommen.

In allerletzter Minute erschien noch Karl-Heinz Schroth, Ruths Mann. Er hatte in Prag gefilmt, mußte dort fliehen, hatte Autos und Wagen angehalten und war so bis Potsdam gekommen. Von dort lief er zu Fuß zu uns nach Glienicke. Völlig übermüdet, denn er war seit Tagen unterwegs, kam er schließlich an. Aber im Rucksack hatte er zwei herrliche Salamiwürste…

1945 - der Bluff der UFA in Mayrhofen

Hannelore Schroth hatte die letzten Kriegswochen nicht in Groß Glienicke verbracht. Sie gehörte zu einem 60köpfigen Team der UFA, das - organisiert vom Produktionsleiter Eberhard Schmidt - im österreichischen Mayrhofen einen großen Bluff inszenierte, um Schauspieler, Regisseure, Assistenten, Kameraleute, Architekten, Aufnahmeleiter, Filmhandwerker jeder Art, Maskenbildner, Beleuchter, Tontechniker und Requisiteure - manche reisten sogar mit Frauen und Kindern an - vor dem Zugriff der Nazis und vor einer Einberufung in den sogenannten "Volkssturm" zu schützen. Erich Kästner, der als vorgeblicher Drehbuchautor Teil dieser Camouflage war, hat die Ereignisse detailliert in seinem erst 1961 veröffentlichten Kriegstagebuch festgehalten. Durch ihn kennt man heute die genauen Hintergründe und Abläufe. 16) 

Die UFA hatte zusätzlich noch ein zweites Team mit einem ähnlichen Auftrag in die Lüneburger Heide entsandt. Kästner zitiert Eberhard Schmidt: "Die Methode, beide Pläne durchzusetzen, sei denkbar einfach gewesen. Man habe ein paar konsequente Lügner beim Wort genommen, nichts weiter. Da der deutsche Endsieg feststehe, müßten deutsche Filme hergestellt werden. Es sei ein Teilbeweis für die unerschütterliche Zuversicht der obersten Führung. Und weil das Produktionsrisiko in den Filmateliers bei Berlin täglich wachse, müsse man Stoffe mit Außenaufnahmen bevorzugen. Was wäre den Mandarinen im Propagandaministerium anderes übriggeblieben, als energisch einzuwilligen?" 17)

Die Produktion bekam den Titel Das verlorene Gesicht - für Kästner ein "hübscher Einfall" 18). Die Beteiligten kamen an unterschiedlichen Tagen - um den 15. März 1945 herum -  im Zillertal an. Es ist nicht bekannt, wann genau Hannelore Schroth eintraf, es muss aber von dem 23. März gewesen sein, da Kästner unter diesem Datum notiert: "Als Hauptdarsteller stehen Hannelore Schroth und Ulrich Haupt zur Verfügung. Ihr Stichwort ist noch nicht gefallen. Mittags liegen sie auf dem Balkon und nehmen Sonnenbäder." 19) 

Weil das Berliner Filmteam mit Argwohn betrachtet wurde, versuchte man, mit allen Mitteln die Illusion einer ordentlichen Produktion aufrechtzuerhalten. Unter dem 19. April notiert Kästner: "Deshalb zog heute, denn die Sonne schien, die Ufa, mit den geschminkten Schauspielern an der Spitze, geschäftig durch den Ort, hinaus in die Landschaft, und drehte, was das Zeug hielt. Die Kamera surrte, die Silberblenden glänzten, der Regisseur befahl, die Schauspieler agierten, der Aufnahmeleiter tummelte sich, der Friseur überpuderte die Schminkgesichter, und die Dorfjugend staunte. Wie erstaunt wäre sie erst gewesen, wenn sie gewußt hätte, daß die Filmkassette der Kamera leer war! Rohfilm ist kostbar. Bluff genügt. Der Titel des Meisterwerks, 'Das verlorene Gesicht', ist noch hintergründiger, als ich dachte." 20) 

Das Projekt war für insgesamt drei Monate geplant, also bis in den Juni hinein. Tatsächlich dauerte es länger. Nach Kriegsende mussten die Beteiligten zunächst vor Ort bleiben, da die Amerikaner jede Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt hatten. Außerdem hätte man sowieso nicht gewusst, wie man in die russische Zone nach Berlin hätte kommen sollen, ohne Passierschein und ohne geeignete Fahrgelegenheit. Kästner, Ulrich Haupt und Eberhard Schmidt gelingt es Mitte Juni, für ein paar Tage nach München zu kommen, aber der Rest des Teams muss in Mayrhofen bleiben. Auch Kästner kommt zurück und verlässt Mayrhofen erst im Juli in Richtung Bayern. Wo Hannelore Schroth zu dieser Zeit ist, bleibt unklar - aber am 30. Juni heiratet sie - in Mayrhofen! - ihren zweiten Ehemann Hans Hass.

Nach Groß Glienicke kommt sie danach nur noch als Besucherin zurück. Sie zieht nach Hamburg-Blankenese in ein Haus im Treppenviertel. 21) Ihre Mutter wird sich zunächst noch regelmäßig im Sommerhaus aufhalten, auch weil ihr im Januar 1945 verstorbener Ehemann Heinrich Schroth auf dem Dorffriedhof begraben ist. Nach der Schließung der Grenze zu West-Berlin 1952 ist es aber auch für sie vorbei. 22)

Heute ist Glienicke hinter dem Stacheldraht. Noch einmal gelang es mir, vor der Errichtung der Mauer, das Grab kurz zu sehen. Hannelore war bei mir. Später standen wir sehnsüchtig am Zaun vor unserem Haus, sahen die schönen Äpfel und Birnen, den großen Garten - bis ein mißtrauischer Mann, anscheinend der neue Pächter meines Grundstücks, uns fortschickte... Nun bis Du weit weg, mein kleines Paradies; seit dem Bau der Mauer bin ich ganz hinausgeworfen... Der Friedhof, auf dem mein Mann liegt, mit der schönen alten Dorfkirche, alles nur 18 Minuten vom Kurfürstendamm entfernt, rückte in nicht zu erreichende Ferne.

Filmografie (Auswahl)

1987/88

Fridolins Heimkehr (Regie: Richard Blank)

1986/87

Wann - wenn nicht jetzt? (Regie: Michael Juncker - Uraufführung: Hofer Filmtage 1987)

1986

Herz mit Löffel (Regie: Richard Blank - Erstsendung 18.09.1990)

1985

Fridolin (Regie: Richard Blank)

1982-84

Friedliche Tage (Regie: Richard Blank)

1982/83

Peggy hat Angst (Regie: Wolfgang Becker - Tatort-Folge)

1982

Erinnerung - Sicaron (Regie: Richard Blank)

1980

Zeuge Yurowski (Regie: Alfred Vohrer - Folge der Krimiserie "Derrick")

1978/79

Lucky Star (Regie: hans-Jürgen Tögel)

1978

Zwischengleis (Regie: Wolfgang Staudte)

1976

Bomber und Paganini (Regie: Nikos Perakis)

1971-73

Immer dieser Michel! (3 Folgen - Regie: Olle Hellbom)

1971

Wir hau'n den Hauswirt in die Pfanne (Regie: Franz Josef Gottlieb)

1970

Auftrag: Mord! (Regie: Dieter Lemmel)

1964

Meine Nichte Susanne (Regie: Thomas Engel)


Polizeirevier Davidswache (Regie: Jürgen Roland)

1960

Liebling der Götter (Regie: Gottfried Reinhardt)

1959

Alle lieben Peter (Regie: Wolfgang Becker)

1958

Der Mann, der seinen Namen änderte (Regie: Werner Völger)


Der Mann, der nicht nein sagen konnte (Regie: Kurt Früh)

1957/58

Italienreise - Liebe inbegriffen (Regier: Wolfgang Becker)

1957

Die Freundin meines Mannes (Regie: Axel von Ambesser)

1956

... wie einst Lili Marleen (Regie: Paul Verhoeven)


Der Hauptmann von Köpenick (Regie: Helmut Käutner)


Vor Sonnenuntergang (Regie: Gottfried Reinhardt)


Geliebte Corinna (Regie: Eduard von Borsody)

1952

Der Fürst von Pappenheim (Regie: Hans Deppe)

1951

Fräulein Bimbi (Regie: Akos von Rathonyi)


Unschuld in tausend Nöten (Regie: Carl Boese)

1950

Taxi-Kitty (Regie: Kurt Hoffmann)


Die wunderschöne Galathee (Regie: Rolf Meyer)

1949

Kätchen für alles (Regie: Akos von Rathonyi)

1948/49

Lambert fühlt sich bedroht (Regie: Géza von Cziffra)


Derby (Regie: Roger von Norman)

1947/48

Das singende Haus (Regie: Franz Antel)

1944/45

Unter den Brücken (Regie: Helmut Käutner)

1943/44

Seinerzeit zu meiner Zeit (Regie: Boleslav Barlog)


Eine Frau für drei Tage (Regie: Fritz Kirchhoff)

1942/43

Liebesgeschichten (Regie: Viktor Tourjansky


Die schwache Stunde (Regie: Vladimir Slavinsky)


Sophienlund (Regie: Heinz Rühmann)

1941/42

Sieben Jahre Glück (Regie: Ernst Marischka)

1941

Menschen im Sturm (Regie: Fritz Peter Buch)


Kleine Mädchen - große Sorgen (Regie: Boleslav Barlog)

1940

Friedrich Schiller (Regie: Herbert Maisch)

1939/40

Weißer Flieder (Regie: Arthur Maria Rabenalt)

1939

Kitty und die Weltkonferenz (Regie: Helmut Käutner)


Der Gouverneur (Regie: Viktor Tourjansky)

1938

Spiel im Sommerwind (Regie: Roger von Norman)

1931

... dann schon lieber Lebertran (Regie: Max Ophüls)

1980 erhielt Hannelore Schroth für ihr langjähriges und erfolgreiches Wirken im Film das Filmband in Gold.

Anmerkungen

[1]

1962 berichtete Hannelore Schroth in einem Interview mit der Frankfurter Neuen Presse, dass der Film fast daran gescheitert wäre, dass sie in der ersten Szene als „kleines Nackedei“ in ihr Nachthemd schlüpfen und ins Bett krabbeln sollte. Dem verweigerte sie sich, und auch Bestechungsversuche mit einer Tafel Schokolade durch den Regieassistenten halfen nicht. „Ich blieb hart, obwohl mir bei dem Gedanken, daß meine schönen Filmträume durch eigene Schuld zusammenbrechen drohten, die Knie weich wurden. Trotzdem ließ ich ich nicht erweichen. … Ich zitterte am ganzen Körper; ich mochte nicht mehr leben. Aber im Leben wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ich hatte nämlich noch niemals etwas von einem Double gehört. So kam es, daß ich bei meinem Filmstart unbeteiligt dabeistand, voller Verachtung für mein Double…“ (Frankfurter Neue Presse v. 17.06.1962).

[2]

Käte Haack: In Berlin und anderswo. München/Gütersloh 1981 (Moewig Memoiren), S. 78. Käthe Brinker: Hannelore Schroth - Käte Haack. Mutter und Tochter. Berlin o.J. (1940), S. 33 ff. 

[3]

zit. nach Brinker, ebd., S. 36 f.

[4]

Synchronkartei von Hannelore Schroth s. hier.

[5]

z. B. in der Neuen Welt v. 29.06.1983.

[6]

UFA-Magazin 21, Berllin 1992, S. 1.

[7]

zit. nach Michael Alten, FAZ v. 21.02.2010 (online hier).

[8]

Die Züricher Zeitschrift "Die Tat" feierte Unter den Brücken am 06.10.1946 als "die letzte Sensation des deutschen Films" (zit. nach der Biographie von Carl Raddatz auf der Website des Filmmuseums Potsdam).

[9]

Journal of Film Preservation Nr. 54 v. April 1997, S. 42 (online hier).

[10]

Michael Alten in der FAZ Nr. 68 v. 20.03.2008, S. 42 (online hier).

[11]

Renate Hilker: Carl Raddatz. Der melancholische Realist. München 2018 (Belleville), S. 84.

[12]

Käte Haack, a.a.O., S. 71. An anderer Stelle schreibt sie, sie wäre kurz vor den Dreharbeiten zu Pygmalion "zu unserem hübschen Strohdach-Haus am Glienicker See" hinausgefahren (S. 50). Das wäre dann schon 1935 gewesen - aber möglicherweise hatte sie bei der Niederschrift ihrer Lebenserinnerungen mehr als 30 Jahre nach den Ereignissen die Zeitabläufe etwas durcheinander gebracht.

[13]

Ebd., S. 105. Wahrscheinlich handelte es sich bei "den Freunden" in erster Linie um Carl Raddatz, der ein Sommerhaus auf der anderen Seeseite in der Kurpromenade 35 hatte. Indirekt wird das von Olga Tschechowa bestätigt, die in ihren Lebenserinnerungen schreibt, dass Raddatz gegen Ende des Krieges "mit Frau" oft zu ihr in die Uferpromenade gekommen sei, weil ihr Haus einen kleinen Bunker hatte [Olga Tschechowa: Meine Uhren gehen anders. Bergisch-Gladbach 1976 (Bastei Lübbe), S. 201].

[14]

Es handelte sich dabei um die Familie Leuschner (?) in der Isoldestr. 200 (alte Nummerierung). Der Fragebogen zeigt gleichzeitig, welche Meldeanschriften Carl-Heinz Schroth und Ruth Hausmeister vorher hatten: In Hamburg lebten sie im Mittelweg 10, in Berlin zuletzt am Kurfürstendamm 176 und nach der Zerstörung des Hauses bei ihren Eltern in der Duisburger Str. 2a.

[15]

Käte Haack, a.a.O., S. 111. Sabine Schroth war 1940 geboren; zum Zeitpunkt des Berichts war Ruth Hausmeister mit der zweiten Tochter Katrin im 8. Monat schwanger.

[16]

Erich Kästner: Notabene 45. Zürich 1961 (hier zitiert nach der Lizenzausgabe des Fischer-Verlags vom Juli 1961). Dass der Bluff selbst nahe Verwandten der Protagonisten nicht bekannt war und auch im Nachhinein nicht wirklich bekannt wurde, zeigt eine Notiz aus den Lebenserinnerungen von Käthe Haack: "Hannelore hat sogar einen Film in Mayrhofen abgeschlossen." (Käte Haack, a.a.O., S. 109). Der Dokumentarfilmer Heinrich Breloer hat die Geschichte der Fake-Produktion u. a. mit den "Hauptdarstellern" Hannelore Schroth und Ulrich Haupt 1986 rekonstruiert (siehe hier). Leider ist die Dokumentation aktuell nicht mehr greifbar. 

[17]

Erich Kästner, a.a.O., S. 56.

[18]

Ebd., S. 59. Der Stoff wurde erst 1948 unter der Regie von Kurt Hoffmann mit veränderter Besetzung (die Hauptrolle spielte jetzt Marianne Hoppe) tatsächlich verfilmt.

[19]

Ebd.

[20]

Ebd., S. 77.

[21]

Förderkreis Historisches Blankenes: Stille Häuser - Stürmische Geschichten. S. 9 (online hier).

[22]

Käte Haack, a.a.O., S. 67 f. u. S. 75.