
Autor:
Meinhard Jacobs
20.10.2025

Foto: unbekannt (1925/26 in den UFA-Studios)
Günther Rittau zählt zu den bedeutendsten Kameramännern und visuellen Innovatoren des deutschen Films in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine filmische Entwicklung, seine technische Experimentierfreude und seine künstlerische Handschrift prägten den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm nachhaltig und beeinflussen noch heute ästhetische Prinzipien der Filmbildgestaltung.
Rittau wurde am 7. August 1893 in Königshütte (heute Chorzów, Polen) geboren. Nach dem Studium der Photochemie an der Technischen Hochschule Berlin arbeitete er zunächst in der optischen Industrie, bevor er 1919 bei Erich Pommers Decla-Bioscop AG in Berlin in die Filmtechnik einstieg. Er arbeitete dort in der Abteilung für wissenschaftliche Kultur- und Trickfilme, wodurch er früh Kenntnisse in Spezialeffekten und Belichtungstechniken erwarb. Parallel ließ er sich als Kameramann (genauer: als "Operateur", wie man damals sagte) ausbilden. Kameramänner (Frauen spielten hier noch keine Rolle) verstanden sich damals im Wesentlichen als ausführende und experimentierfreudige Bastler - eben als "Operateure" -, die ihre eigenen Gerätschaften verwendeten und argwöhnisch darauf achteten, dass ihre Fachkenntnisse, Tricks und technischen Fähigkeiten vor Konkurrenz geschützt und möglichst nicht von anderen kopiert wurden. Erst Mitte der 20er Jahre tauchte langsam der Begriff "Kameramann" auf, verbunden mit einer stärkeren Rolle bei der künstlerischen Gestaltung des Films und - vor allem bei Großproduktion - gleichzeitig einer stärkeren Spezialisierung aller Beteiligten. Zudem brauchte man für einen Film häufig mehrere Kameramänner, da es der Stand der Filmmaterial- und der Kopierwerkstechnik bis Ende der Stummfilmzeit nicht erlaubte, Duplikate von Negativen zu erstellen. Insbesondere bei Filme für eine internationale Verwertung mussten parallel oder hintereinander mehrere Kopien hergestellt werden, bei den frühen Tonfilmen auch in mehreren Sprachen, weil eine spätere Synchronisierung noch nicht möglich war. [1]
Arbeit mit Fritz Lang: DIE NIBELUNGEN und METROPOLIS
Nach der Beteiligung an den beiden Teilen des Film DER EISENBAHNKÖNIG von Eugen Illés (LAUERNDER TOD und MENSCH UND MAMMON, beide 1921) und einem ersten Film für die Decla Bioscop-AG 1922/23 (DER STEINERNE REITER) gelang Günther Rittau der Durchbruch als zweiter Kameramann in Fritz Langs zweiteiligem Epos DIE NIBELUNGEN (1922-24).
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Mehr Informationen(für Fans hier die vollständige Version der NIBELUNGEN - Länge 4h 34m 27s)
In den NIBELUNGEN erprobte Rittau visuelle Techniken wie Doppelbelichtung, Miniaturaufnahmen und Schattenspiele, die er in METROPOLIS (1926), dem zweiten großen Film von Fritz Lang, gemeinsam mit Karl Freund und Eugen Schüfftan perfektionierte.
Schon drei Tage nach der Premiere des ersten Teils der NIBELUNGEN am 14.02.1924 schwärmte Fritz Lang in der Zeitschrift Kinematograph von Günther Rittaus Fähigkeiten bei der technisch-experimentellen Gestaltung der Filmbilder. Für METROPOLIS engagiert Lang Rittau als zweiten Kameramann neben Karl Freund. Er sollte vor allem für die Tricktechnik zuständig sein.

Kinematograph Nr. 887 v. 17.02.1924, S. 8
Zwei Beispiele mögen zeigen, mit welcher Akribie und technischen Raffinesse Rittau bei seinen Filmtricks vorging. Der Text entstammt einer Ausgabe der Zeitschrift DER SPIEGEL von 1950::
"In der Szene, in der der Maschinenmensch zum Leben erweckt wird, kreisen Starkstromentladungen (über 200.000 Volt) um den metallenen Körper. Bei der ersten Aufnahme wurde nur der Maschinenmensch selbst mit seiner technisch verwirrenden Umgebung aufgenommen. Dann ging Günther Rittau in sein kleines Speziallaboratorium. Dort belichtete er das Negativ dieser Szene noch dreißig- bis fünfzigmal vor einem Funkeninduktor.
Die Erweckung des Maschinenmenschen
Schwierigste Szene für den Trickspezialisten war der Blick in den Straßenschlauch zwischen den Wolkenkratzern bei Nacht. Die Riesendimensionen ließen sich nur mit Hilfe eines Modells darstellen. Zehn Meter lang war diese Miniaturausgabe der Hauptstraße in der Zukunftsstadt. Auf den Highways fuhren Autos... Menschen wogten vor Vergnügungspalästen, Lichtreklamen blendeten an und aus. Seltsame Flugzeuge kreisten um die Türme der Stadt der Millionäre. Die ganze Szene in einer Bildlänge von 20 Metern wurde nicht gedreht, sondern Bild für Bild geknipst.

Die Stadt der Zukunft als Modell (Foto: Hans von Harbou / Stiftung Dt. Kinemathek)
Dafür hatte die schwere amerikanische Mitchell-Kamera einen Auslöseknopf erhalten. Natürlich wurde die Kamera einzementiert, das Modell ebenfalls, damit ja nicht ein kleiner Rutsch alle Mühe umsonst machte. Ein Voltmeter war an der Apparatur, um die kleinste Stromschwankung anzuzeigen.
Neun Glühlampen bestrahlten das nächtliche Wolkenkratzeridyll. Jedes Bild wurde eine Viertelsekunde belichtet. Dann wurde jedes Modellchen auf dem Modell, jeder Mensch, jedes Auto, jedes Flugzeug um ein Stückchen weitergerückt. Nach einem genauen Plan, der in Zentimetern die 'Schnelligkeit' jeder Figur berechnet hatte. Jede Lichtreklame in den 10 Metern Weltstadtstraße mußte einzeln geknipst werden, um die Kontrolle über den Lichtwert des Negativs zu behalten.
Die Wolkenkratzerlandschaft der Zukunftsstadt
Als Günther Rittau nach vier Monaten diese Szene zum Entwickeln gab, waren diese 20 Meter Negativ 57mal durch die Kamera gewandert und belichtet worden." [2]
METROPOLIS war eine der technische aufwendigsten Produktionen der damaligen Zeit. Über 600 Kilometer Filmmaterial wurden belichtet, und mehr als 27.000 Statisten wirkten mit. Rittaus Kameraarbeit vollzog sich unter extremsten Bedingungen - in überfluteten Sets, mit komplizierten Mehrfachbelichtungen und präzisen Modellaufnahmen. Seine visuellen Effekte und Kameratechniken prägten die Bildsprache von METROPOLIS maßgeblich und formten einen filmischen Stil, der bis heute als Meilenstein gilt. Sein Einfluss auf moderne Spezialeffekte ist wesentlich tiefer, als es zunächst scheint. Eine seiner zentralen Innovationen war die Kombination von Miniaturaufnahmen und Realfilm mittels optischer Verfahren wie der "Schüfftan-Technik" (Eugen Schüfftan war der dritte Kameramann bei METROPOLIS), bei der durch Spiegeltricks Schauspieler in Modellwelten integriert wurden. Damit schuf er einen Vorläufer für das moderne "Compositing" (digitale Überlagerung mehrerer Bildebenen) vor, das heute in Programmen wie "Nuke" oder "After Effects" in digitaler Form angewendet wird. Die Idee, unterschiedliche Maßstabsebenen physisch oder optisch zu vereinen, findet sich zum Beispiel in Filmen wie BLADE RUNNER 2049 (2017) oder INCEPTION (2010) wieder, wo reale Sets und computererzeugte Hintergründe nahtlos ineinander verschmelzen.
Durch diese Techniken in Verbindung mit Doppelbelichtungen, einer besonderen "Lichtdramaturgie" - dem Zusammenspiel von Hell-Dunkel-Kontrasten, Schatten und reflektierenden Oberflächen - etablierte sich Rittau als Pionier einer Kameraästhetik, die Technik und Ausdruck zu verbinden suchte. Seine nächsten Arbeiten HEIMKEHR (1928) und vor allem ASPHALT (1929) gelten als weitere Höhepunkt der Weimarer Filmkunst, insbesondere durch den Einsatz der von Karl Freund "erfundenen" "entfesselten Kamera", die Bewegung und Subjektivität ins filmische Sehen brachte.
DER BLAUE ENGEL
Mit dem Tonfilmprojekt MELODIE DES HERZENS (1929) zeigte Rittau seine Fähigkeit, visuelle Komplexität trotz der technischen Einschränkungen bei den frühen Tonaufnahmen zu bewahren. Der Film gilt als der weltweit erste komplett vertonte deutsche Spielfilm und wurde, wie es damals bei Produktionen für den Verkauf ins Ausland üblich war, parallel in deutscher, englischer, französischer und ungarischer Sprache gedreht. [3] Er beeindruckte durch rhythmisch komponierte Kamerabewegungen und das Wechselspiel von Licht, Raum und Emotion. Auch wenn sich manche Kritiker von der neuen Technik noch nicht so ganz überzeugen ließen, so war das Lob für Rittaus Kameraführung doch einhellig: "...herrliche Photographie, meisterhafte Bildgestaltung, wunderbare Bilder aus dem unbekannten, verträumten Ungarn..." [4]
Der nächste Höhepunkt seines filmischen Schaffens war die Zusammenarbeit mit Josef von Sternberg beim Film DER BLAUE ENGEL (1930). Die Zusammenarbeit hätte durchaus schwierig werden können, da Sternberg ein starkes, vielleicht sogar übersteigertes Selbstbewusstsein hatte und sich selbst als künstlerisch entscheidend verstand. Aber Rittau scheint in dieser Konstellation als Kameramann genau die richtige Wahl gewesen zu sein. Durch kontrastreiche Ausleuchtung, spiegelnde Oberflächen und subtile Tiefenschärfenkompositionen übersetzte Rittaus Lichtgestaltung seelische Stimmungen in visuelle Strukturen. Da Licht, Schatten, Gestaltung und Filminszenierung auch ein integraler Bestandteil von Sternbergs Regieästhetik war, ergänzten sich die Denk- und Herangehensweisen der beiden kongenial. [5]
Zusammen mit dem Regisseur entwickelte Rittau eine Art der Ausleuchtung des Gesichts von Marlene Dietrich, die als sogenanntes "Dietrich-Light" in die Filmgeschichte einging und das Image des Weltstars nachhaltig prägte. Es gelang ihm, durch seine Lichtführung die leicht nach oben gerichtete Nase der Dietrich so zu kaschieren, ihre Augen zu vertiefen und die Wangenknochen so zu modellieren, dass ihr eigentlich eher rundes Gesicht unverwechselbar kantig und wie gemeißelt erschien. Diese Technik, die wegen des ausgeprägten Schattens unter der Nase auch "Butterfly Lighting" genannt wird, wurde zum Standard für die Glamour-Beleuchtung in Hollywood, und die Dietrich bestand fortan darauf, in allen ihren Filmen so beleuchtet zu werden.

Shanghai Express 1932 - Foto: Don English
Im Gegensatz zu METROPOLIS, der für die Zeitgenossen zu modern war, komplett durchfiel und zu einem finanziellen Desaster für die UfA wurde [6], entwickelte sich DER BLAUE ENGEL zu einem Welterfolg.
Regiearbeit und filmtechnische Innovationen im Dritten Reich
In den 1930er Jahren verlagerte Rittau seinen Schwerpunkt zunehmend in Richtung aufwendiger Trick- und Effektfilme wie F.P.1 ANTWORTET NICHT (1932) und GOLD (1934). Beide Filme verbanden technischen Visionen mit futuristischen Themen und gelten als Vorläufer moderner Science-Fiction-Ästhetik. 1939 führte er bei BRAND IM OZEAN zum ersten Mal selbst Regie, gefolgt 1941 von dem nationalsozialistischen Propagandafilm U-BOOTE WESTWÄRTS! - beides technisch eindrucksvolle Filme (U-BOOTE WESTWÄRTS! wurde beispielsweise auf echten U-Booten und mit den originalen Besatzungen als Statisten gedreht), aber von nationalsozialistischem Gedankengut und einer kriegsverherrlichenden Rhetorik geprägt. Bis zum Kriegsende führte Rittau ausschließlich Regie.
Nachkriegszeit und spätes Schaffen
Nach 1945 gründete Rittau mit dem Kameramann Ernst W. Kalinke, der in den sechziger Jahren vor allem für die Kamera in den Karl-May- und Edgar-Wallace-Filmen bekannt wurde, die Stella-Film GmbH, von der heute nur noch VOR UNS LIEGT DAS LEBEN (1948) bekannt ist, Rittaus letzte größere Regiearbeit.
In den fünfziger Jahren nahm er für einige Heimatfilme und Komödien noch einmal die Kamera in die Hand, danach drehte er aber nur noch Werbefilme (Ceres-Filmproduktion, Frankfurt a. Main) und Fernsehdokumentationen.

Branchenadressbuch für Berlin 1946/47, S. 689

Berliner Stadtadressbuch 1949.3 (Branchen), S. 306
Laut filmportal.de stand Rittau dem Jungen Deutschen Film in den sechziger Jahren kritisch gegenüber, vor allem in Bezug auf die Bildgestaltung. Über Herbert Veselys DAS BROT DER FRÜHEN JAHRE - der Film, mit dem 1962 der Aufbruch der jungen westdeutschen Filmschaffenden begann - sagte er: "Das ist Neue Welle mit Gewalt, mehr nicht. Unscharf fotografieren ist noch keine Kunst." [7] 1967 wurde Rittau mit dem Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirkenim deutschen Film ausgezeichnet. Er starb, inzwischen erblindet, einen Tag vor seinem 78. Geburtstag am 6. August 1971
Günther Rittau in Groß Glienicke
Günther Rittau hatte - wahrscheinlich seit dem Ende der 30er Jahre - ein Sommerhaus in Groß Glienicke. Leider wissen wir noch nicht genau, wo dieses Haus stand, aber Gisela von Wysocki, die Tochter des künstlerischen Leiters der Schallplattenfirma Odeon, die selbst von ihrer Geburt 1940 bis 1952 in Groß Glienicke lebte, gab in Ihren Lebenserinnerungen Wir machen Musik ein beredtes Zeugnis:
Ich soll einen Brief an Herrn Rittau überbringen, einen wichtigen Brief, deshalb darf ich auch meinen Roller nicht benutzen; der Brief soll unzerknüllt bei seinem Adressaten landen. Der Vater schleppt ein riesiges Bilderbuch an und erzählt mir, dass der Mann, den ich besuchen soll, beruflich mit einer Kamera zu tun hat. Auf dem Foto, das er mir zeigt, ist eine große Uhr zu sehen, die erstaunlicherweise mehrere Zeiger hat. Zwischen ihnen hängt ein Mann, der offenbar für Ordnung unter den Zeigern sorgen will. Herr Rittau habe ihn dabei mit seiner Kamera gefilmt, und deshalb kann die ganze Welt diese Uhr nun im Kino besichtigen: der Film heißt Metropolis, sagt der Vater. Auf einem anderen Bild hat sich eine dunkelblonde Frau ungeniert in ihrer Unterwäsche aufgestellt, sogar ihre Strumpfhalter sind zu erkennen und die beiden hochgezogenen Stellen, an denen sie im Saum der Strümpfe festgehakt sind. Die Frau lacht, sie hat die Arme in die Taille gestemmt und steht breitbeinig da, als wäre es eine Heldentat, sich öffentlich in Unterwäsche zu zeigen. So, wie ich den Vater verstehe, trägt die Frau den Namen "Der blaue Engel", was in meinen Augen nicht zu ihr passt. Nichts an ihr hat mit blauer Farbe zu tun, da hat Herr Rittau sich vertan, auch dass ein Engel hochhackige Schuhe trägt und Strumpfhalter, ist in meinen Augen ein Blödsinn und hätte Herrn Rittau nicht passieren dürfen...
Viele Jahre nach meinem Besuch bei Günther Rittau lese ich in einem von ihm geschriebenen Artikel, er habe sich bei seiner Arbeit als "Konstrukteur" und "Forscher" der Wirklichkeit gesehen. Mit diesem Wissen hätte ich vielleicht ein eindrucksvolles Gespräch mit ihm führen können. Aber ich bin, während ich mich seinem Garten nähere, ein kleines Ding mit einem Brief in der Hand, das einen schmalen, seitlich von gelben Sonnenblumen bestandenen Weg vor sich sieht. Der Weg läuft direkt auf eine Terrasse zu, auf der sich Herr Rittau befindet und mich zu sich winkt. Ich kann nichts Auffälliges an ihm entdecken, er sitzt im Hintergrund des Gartens auf einem weißen Stuhl und hält eine Zeitung in der Hand. Ich stelle mir die Frage, ob sein Blick, den er mir und dem Briefumschlag von dort aus zuwirft, ein spezieller, ein mit den Eigenschaften eines Kameramanns besonders ausgestatteter Blick ist. Jedenfalls ist es der gleiche, der den Ordnung schaffenden Mann zwischen den Zeigern der Uhr beobachtet und die blonde Schauspielerin, von der ich weiß, dass sie Marlene Dietrich heißt, in ihrer Unterwäsche gesehen hat...
Herr Rittau bietet mir ein Glas Limonade an und beobachtet mich mit geübten, auf verrückt spielende Uhren und seidenbestrumpfte Engel spezialisierten Blick, mit Augen, die er durch seine Kamera hindurch auf die Welt gerichtet hat...
Da das Limonadenangebot nicht erneuert wird, bleibt mir nichts anderes übrig, als Auf Wiedersehen zu sagen und mich damit abzufinden, dass Herr Rittau es nicht für nötig gefunden hat, mich durch seine Kamera anzuschauen. Ein mageres Ergebnis; unabhängig davon werde ich zu Hause so richtig aufdrehen und denen etwas auftischen, was noch lange für Gesprächsstoff sorgen wird. Auf dem Rückweg beginne ich bereits, an meiner Geschichte zu arbeiten; vor dem Gartentor habe ich meine Überlegungen abgeschlossen: die Uhr mit den vielen Zeigern hat auf der Terrasse gestanden und besitzt in Wirklichkeit zwei Zeiger mehr als auf dem Foto; der blaue Engel bediente uns mit grüner Limonade aus einem riesigen, roten Krug; Herr Rittau hat uns beim Trinken der Limonade durch seine Kamera beobachtet; der Engel war wiederum in Hemd und Hose erschienen, ein armer Engel, der sich nichts anderes leisten kann; die Uhr hat ein paar Mal wie eine Windmühle mit ihren Zeigern um sich geschlagen, die Zeiger sahen aus wie schwarze Flügel. Das Angebot des Gastgebers, ihm und dem Engel beim Abendessen Gesellschaft zu leisten, habe ich, obwohl es mir überaus verlockend erschien, dennoch ausgeschlagen, um so schnell wie möglich nach Hause zu gelangen und von meinem Besuch bei dem Mann mit der Kamera zu berichten.
Gisela v. Wysocki, Wir machen Musik. Berlin 2010, S. 121 - 124

Gustav Fröhlich als Freder Fredersen in METROPOLIS (Foto: Horst von Harbou)

Marlene Dietrich als Lola Lola in DER BLAUE ENGEL (Foto: Wikipedia Commons)
Gisela v. Wysocki lebte damals in der Sacrower Allee 183 (heute Nr. 64), sodass man wohl davon ausgehen kann, dass das Grundstück von Günther Rittau zwischen dem südlichen Teil der Sacrower Allee und dem Groß Glienicker See gelegen hat.
Anmerkungen
[1]
Vgl. Axel Block, Die Kameraaugen des Fritz Lang. Der Einfluss der Kameramänner auf den Film der Weimarer Republik. München 2020, S. 18 ff.
[2]
Der Spiegel. 4. Jg. Nr. 45 v. 07.11.1950, S. 24. Der Assistent Rittaus bei den Tricks, H. O. Schulze, äußerte sich in einem Interview 1983 schier begeistert über die Arbeit an der Hochhausszene: "Viele, viele Autos, und dieses Modell haben wir in Einzelphasentechnik aufgenommen. Da waren etwa 15 Bühnenarbeiter beschäftigt. Und dieses Modell war auch progressiv perspektivisch in die Tiefe gebaut... Und da wurden dann in diesen verschiedenen Ebenen auch die bewegten Modelle von Flugzeugen und Autos perspektivisch verschieden groß angefertigt. Man tat so, als ob das bis dahinten durch ging, aber es war dann geschickt so gemacht, dass von der ersten Ebene die Straße über Häuserüberschneidungen ging, und dann kam die zweite Ebene, und dann kam das gleiche Auto oder Flugzeug hinten verkleinert wieder raus bis in die mittlere Ebene und dann noch mal verkleinert in die dritte Ebene." (zit. nach: Axel Block, a.a.O., S. 179.)
[3]
Alles bewegt sich - Babelsberg in der Weimarer Republik. Filmportal.de, zuletzt abgerufen am 22.10.2025.
[4]
Oskar Kalbus, Vom Werden deutscher Filmkunst. 2. Teil: Der Tonfilm. Berlin 1935, S. 12 (zitiert nach: Wikipedia, Artikel Melodie des Herzens, zuletzt abgerufen am 22.10.2025)
[5]
vgl. Axel Block, a.a.O., S. 307 ff.
[6]
Laut einer von der Presseabteilung der UfA zur Premiere des Films METROPOLIS herausgegebenen Sondernummer des UfA-Magazins wurden während der Dreharbeiten zwischen dem 22. Mai 1925 und dem 30. Oktober 1926 in 310 Tagen und 60 Nächten insgesamt 620 km Negativfilm belichtet (was einer Spieldauer von über 350 Std. entspricht); es gab 8 Hauptrollen, 750 kleinere Rollen, 25.000 Komparsen und 11.000 Komparsinnen; an Arbeitslöhnen wurden 1.600.000 RM, für Kostüme 200.000 RM und für die Filmarchitektur (Licht, Farbe, Holz Mörtel) 400.000 RM verbraucht (Sondernummer METROPOLIS des Ufa-Magazins, Januar 1927. Faksimile-Nachdruck 1992 im Archiv-Verlag, Braunschweig). Über die Gesamtkosten gibt es unterschiedliche Angaben (zwischen 5 und 9 Mio. Reichsmark, was inflationsbereinigt zwischen 23 und 40 Mio Euro entspricht) - zu seiner Zeit war METROPOLIS der teuerste Film der Filmgeschichte. Da er nach der Premiere nur in einem einzigen Berliner Kino aufgeführt wurde, wurde er zu einem kommerziellen Fiasko, in dessen Folge die finanziell angeschlagene UfA im März 1927 vom damals einflussreichsten deutschen Medienunternehmer Alfred Hugenberg übernommen wurde.
[7]
Abendpost, Frankfurt a. Main v. 01.07.1962. Zit. nach: Kristina Rose, Biographie Günther Rittau, filmportal.de (zuletzt abgerufen am 27.10.2025)
Filmografie
a) als Kameramann
1960 | Studieren und probieren |
1957 | Die fidelen Detektive |
1956/57 | Schütze Lieschen Müller |
1956 | Wenn wir alle Engel wären |
1956 | Die fröhliche Wallfahrt |
1955 | Das Forsthaus in Tirol |
1954/55 | Der Fischer vom Heiligensee |
1955 | Das Erbe vom Pruggerhof |
1954 | Das Kreuz am Jägersteig |
1939 | L'Héritier des Mondésir |
1939 | Der Vorhang fällt |
1938/39 | L'Entraineuse |
1938 | S.O.S. Sahara |
1937/38 | Verklungene Melodie |
1938 | Nordlicht |
1937 | Gueule d'amour |
1937 | Starke Herzen |
1936 | Ritt in die Freiheit |
1936 | Waldwinter |
1935 | Liebeslied |
1934/35 | Zigeunerbaron /Le baron tzigane |
1935 | Der grüne Domino / Le domino vert |
1933/34 | Gold / L'Or |
1934 | Fürst Woronzeff / Le secret de Woronzeff |
1933 | Abel mit der Mundharmonika |
1933 | Die verlorene Melodie |
1933 | Wie werde ich energisch? |
1933 | Kind, ich freu' mich auf Dein Kommen |
1932 | F. P. 1 antwortet nicht / I. F. 1 ne répond plus |
1932 | Ein blonder Traum / Un rêve blond |
1932 | Quick |
1932/33 | F. P. 1 |
1931/32 | Der Sieger / Le vainqueur |
1931 | Bomben auf Monte Carlo / Monte Carlo Madness / Le capitaine Craddock |
1930/31 | Ihre Hoheit befiehlt / Princesse! à vos ordres! |
1931 | Tumultes |
1931/32 | Stürme der Leidenschaft |
1930 | Der Kampf mit dem Drachen |
1929/30 | Der blaue Engel / The Blue Angel |
1930/31 | Flagrant délit |
1930 | Liebling der Götter |
1930 | Einbrecher |
1929 | Melodie des Herzens |
1928/29 | Asphalt |
1928 | Heimkehr |
1928 | Was ist los mit Nanette? |
1927 | Der Kampf mit Donald Westhof |
1927 | Fürst oder Clown |
1925/26 | Metropolis |
1926 | Kleines Waldvolk |
1924/25 | Die gefundene Braut |
1924/25 | Der Turm des Schweigens |
1922-24 | Die Nibelungen. 2. Teil: Kriemhilds Rache |
1922-24 | Die Nibelungen. 1. Teil: Siegfried |
1922/23 | Der steinerne Reiter |
1921 | Mensch und Mammon |
1921 | Lauernder Tod |
b) als Regisseur
1954 | L'amour |
1952/53 | Laßt uns auch leben |
1948 | Vor uns liegt das Leben (auch Drehbuch) |
1945 | Der Scheiterhaufen |
1943/44 | Meine vier Jungen |
1944/48 | Eine alltägliche Geschichte |
1944 | Die Jahre vergehen |
1942/43 | Der ewige Klang (auch Drehbuch) |
1941/42 | Der Strom |
1940/41 | U-Boote westwärts! |
1939 | Brand im Osten (auch Mitarbeit am Drehbuch) |
