Autor:
Johann Pibert
19.04.2021
Schauspielerin und Sängerin
geboren am 12. Februar 1904 in Schöneberg
gestorben am 1. Oktober 2002 in Berlin
Der Insulaner verliert die Ruhe nich
Der Insulaner liebt keen Jetue nich
[...]
Der Insulaner hofft unbeirrt
Daß seine Insel wieder 'n schönes Festland wird
Diese von Edith Schollwer (1904–2002) gesungenen Zeilen sind Kult. Ab dem Winter der Berlin-Blockade 1948/49 ertönten sie 16 Jahre lang in der von Günter Neumann ins Leben gerufenen Kabarett-Radiosendung Die Insulaner, die im Programm des West-Berliner Senders RIAS lief. [1] Die Insulaner, zu denen insgesamt zehn Künstler*innen gehörten, waren nicht nur antikommunistisch, sondern zu einem gewissen Grade auch antikapitalistisch [2] – ein ungewöhnlicher Umstand, der die Sendung sowohl in West als auch in Ost beliebt machte. Obwohl das Insulanerlied als Titelsong immer wieder variiert wurde, waren die trotzigen Refrain-Zeilen „mit fröhlich rollendem R“ [3] stets eingängig. Sie avancierten im Kalten Krieg zur Durchhalteparole und „heimlichen Hymne“ [4] der in einer Enklave ausharrenden West-Berliner*innen. Das Insulanerlied repräsentiert auf besondere Weise „die typische Berliner Verbindung von ‚Mundwerk mit Herz‘“ [5] – das Markenzeichen Edith Schollwers. Die allseits beliebte Kabarettistin und Schauspielerin, die sich selbst einst als „Naturtalent“ [6] beschrieb, war an zahlreichen, oft komödiantischen Produktionen im Theater, Hörfunk, Film und Fernsehen beteiligt. Zwischen 1931 und 1991 spielte sie in rund 30 Kino- und 30 Fernsehfilmen mit sowie in einigen Fernsehserien, wobei sich die letzten 30 Jahre ihrer langen Karriere auf das Fernsehen konzentrierten. [7] Schollwer gehörte zu den „Volksschauspieler*innen“ mit Berliner Schnauze, die man gerne für die milieugetreuen Darstellungen der West-Berliner Familienserien engagierte. [8] Aufgrund ihrer hervorragenden kulturellen Leistungen wurde sie 1994 mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet.
Anmerkungen
[1]
Siehe dazu Andreas Hiepko: Der Insulaner, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, Bd. 2, Nr. 4, 2008, 54–58, hier 55–56 und Stefanie Eisenhuth, Martin Sabrow: „West-Berlin“. Eine historiographische Herausforderung, in: Zeithistorische Forschungen, Bd. 11, Nr. 2, 2014, 165–187, hier 176.
[2]
Vgl. Uwe Prell: Berlin – Bühne des Wandels. Ein Reisebericht, Berlin 2004, 326 und 447.
[3]
Christian Schröder: Seh’n Se, das war Berlin. Die letzte „Insulanerin“: zum Tod von Edith Schollwer, in: Tagesspiegel Online, 4.10.2002,
https://www.tagesspiegel.de/kultur/sehn-se-das-war-berlin-die-letzte-insulanerin-/351672.html.
[4]
Ebd.
[5]
Anonym: Schauspielerin Edith Schollwer ist tot, in: Rheinische Post, 3.10.2002, https://www.günter-neumann-stiftung.de/edith-schollwer.
[6]
Anonym: Die möcht ich sehn! – Edith Schollwer, in: HÖRZU, 22.4.1956, https://www.günter-neumann-stiftung.de/edith-schollwer.
[7]
Siehe Filmografie in anonym: Edith Schollwer, in: IMDb,
[8]
Vgl. Knut Hickethier: Die gemütliche Durchhalte-Gemeinschaft. West-Berlin in Serien des deutschen Fernsehens, in: Zeithistorische Forschungen, Bd. 11, Nr. 2, 2014, 337–348, hier 339.
Text von Johann Pibert aus der Ausstellung „Das filmische Gesicht der Stadt Potsdam“ (https://cinematic-city.projekte-filmuni.de). Mit freundlicher Genehmigung der Projektleitung des BMBF-Drittmittelprojektes „Das filmische Gesicht der Städte“.
Hier kann das Buch "Die filmische Straßenlandschaft in Potsdam" von Anna Luise Kiss, in das dieser Text von Johann Pibert eingegangen ist, direkt heruntergeladen werden!