Zum Abschluss des Jahres zeigt FILME UND IHRE ZEIT in der Groß Glienicker Dorfkirche den Stummfilm Schloß Vogelöd von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahr 1921 mit Olga Tschechowa in einer tragenden Rolle als Baronin Safferstätt, LIVE begleitet durch Susanne Schaak an der Schuke-Orgel.
Plakatgestaltung: John Fenneker
wann?
15. November 2024, 18:00 Uhr
wo?
Groß Glienicker Dorfkirche
14476 Potsdam - Groß Glienicke
Glienicker Dorfstr. 11a
Einführung
Meinhard Jacobs
an der Orgel
Susanne Schaak
Der Eintritt ist - wie immer! - natürlich frei, wir freuen uns aber über Spenden zur Unterstützung unserer Arbeit.
Die Geschichte
Eine Männergesellschaft trifft sich zur traditionellen Oktoberjagd auf Schloss Vogelöd. Doch strömender Regen macht das Vergnügen zunichte. Unter den Gästen des Herrn von Vogelschrey macht sich Langeweile breit, da erscheint ein unerwarteter und nicht geladener Gast: Graf Johann Oetsch. Er wird von den anderen Jagdteilnehmern gemieden, da er einige Jahre zuvor seinen Bruder erschossen haben soll...
Für den Abend wird noch die Witwe des Toten, Baronin Safferstätt (Olga Tschechowa), mit ihrem jetzigen Ehemann erwartet. Sie ist bei ihrem Eintreffen über die Anwesenheit von Graf Oetsch entsetzt und will eigentlich sofort wieder abreisen, bis sie erfährt, dass ein unbekannter Verwandter ihres ermordeten Mannes ebenfalls zu Besuch erwartet wird.
Nun beginnt ein mysteriöses Spiel um Schein und Sein, Wahrheit und Lüge. Wer ist dieser mysteriöse Verwandte? Was weiß er? Und was hat der neue Ehemann der Baronin mit der ganzen Sache zu tun? Personen verschwinden und tauchen plötzlich wieder auf, niemand weiß, was er noch glauben oder denken soll - da fällt ein Schuss...
(Quelle: Filmportal.de - Filmbilder: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung)
Der Film
Schloß Vogelöd, gedreht nach einem 1920/21 in der "Berliner Illustrirten Zeitung" erschienenen Fortsetzungsroman von Rudolf Stratz, ist einer der wenigen noch erhaltenen Filmen aus der frühen Schaffenszeit von Friedrich Wilhelm Murnau. Auch wenn er nicht die filmische Qualität seines nur wenige Monate später entstandenen expressionistischen Meisterwerks Nosferatu erreicht, deutet Schloß Vogelöd bereits einige der visuellen Effekte an, die den Regisseur später berühmt machen sollten, so etwa die Traumsequenz in der Mitte des Films und die Szene kurz vor dem Ende, in der durch eine extreme Anordnung der Personen in einem leeren Raum symbolhaft der Seelenzustand des Paares Safferstätt dargestellt wird.
Die Premiere des Films war am 7. April 1921 im Berliner Marmorhaus. Das Filmplakat entwarf Josef Fenneker (1895 - 1957), einer der bedeutendsten Grafiker des Expressionismus. Seit 1918 gestaltete er Plakate für diverse Berliner Uraufführungskinos. Sie machten ihn schnell bekannt, sodass ihn der damalige Direktor des Marmorhauses fest engagierte. Hier schuf er bald eine enorme Anzahl an Plakaten und konnte mit 30 Jahren bereits auf ein Gesamtwerk von über 250 Arbeiten zurückblicken.
Der Roman von Rudolf Stratz, der in der "Berliner Illustrirten Zeitung" erscheint und der diesem Film zugrunde liegt, trägt mit Recht den Untertitel "Die Enthüllung eines Geheimnisses". Er läßt mit einer Spannung, die sich von Fortsetzung zu Fortsetzung steigert, eine tragische Familiengeschichte vor uns entstehen, die sich zunächst immer mehr verwickelt, immer geheimnisvoller wird, bis sie sich dann am Schluß überraschend auflöst...
Der Film ist sicherlich - schon mit Rücksicht auf die große Publicität des Romans - ein gutes Geschäft und wird ebenso volle Häuser finden...
Aros (= Alfred Rosenthal)
Deutsche Lichtspiel-Zeitung Nr. 16 v. 16.04.1921
(...) Daß es der Regie F.W. Murnaus gelungen ist, gerade das Seelische zum Ausdruck zu bringen und auf äußere Sensationen zu verzichten, ist die besondere Stärke dieses Films. Die Inszenierung ist ganz auf Stimmungen eingestellt: Die äußere Atmosphäre mit Sonne, Regen und Sturm gibt stets die unter den Schloßbewohnern herrschende Stimmung wieder, ist Mittler für feinste Seelenschwingungen, wie das Schloß selbst, das mit hellerleuchteter Front bald fröhliche Gesellschaft, bald mit nur zwei ins nächtliche Dunkel leuchtenden Fenstern sorgenschwere Stunden andeutet. Hier sind neue Ausdrucksmittel von ausgezeichneter Wirkung gefunden. Famos war die bei Sonnenschein anrückende und bald darauf bei strömendem Regen heimkehrende Jagdgesellschaft.
Auch die Darstellung war vorzüglich, allen voran Lothar Mehnert als Graf Oetsch, eine prachtvolle Figur, äußerst prägnant im Mienenspiel, durchaus der Typ des aristokratischen Outsiders, wie ihn das Buch schildert und die dominierende Gestalt des Ganzen. Olga Tschechoff vom Moskauer Theater war wie geschaffen für die Baronin Safferstätt, voll sonniger Grazie in der Episodenrolle, besser noch und tief ergreifend in der Darstellung der von Gewissensnöten geplagten Frau, rein menschlich und ohne falsche Töne...
Der Kinematograph
Nr. 739 v. 17.04.1921
Olga Tschechowa
Für Olga Tschechowa war Schloß Vogelöd der erste deutsche Film, nachdem sie in Russland nur in drei kleineren, mehr oder weniger obskuren Filmen - die sie zudem später permanent verschwieg - mitgewirkt hatte. Ihr Vater gehörte als hoher Beamter der zaristischen Eisenbahnverwaltung zum russischen Großbürgertum. Im Haus ihrer Eltern verkehrten bedeutende Künstler, darunter der Schriftsteller Leo Tolstoj und der Komponist Pjotr Iljitsch Tschaikowski; ihre Tante Olga Knipper-Tschechowa arbeitete bereits als Schauspielerin, gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Moskauer Künstlertheaters unter Stanislawski und war seit 1901 mit dem Dramatiker Anton Tschechow verheiratet. Diese Verbindungen beeinflussten die junge Olga und weckten ihre Begeisterung für das Theater. Bereits mit 17 Jahren heiratete sie 1914 den Neffen Anton Tschechows, den Schauspieler Michael Tschechow. Die Ehe hielt zwar nur drei Jahre, aber in dieser Zeit konnte sie erste Schauspielerfahrungen im Studio ihres Mannes machen. Nach den Wirren der russischen Revolution und des Bürgerkriegs floh sie 1920/21 (der genaue Zeitpunkt ist unklar; sie selbst spricht vom Januar 1921, andere Quellen deuten aber darauf hin, dass es wahrscheinlich schon im Sommer oder Herbst 1920 gewesen war) nach Berlin. Eigentlich wollte sie nur für einige Wochen in der Stadt bleiben und dann nach Metz zu Verwandten weiterreisen. Da sie wegen ihres Visums aber immer wieder ins Konsulat musste, blieb sie länger und begann, für ihren Lebensunterhalt kleine Holzplastiken zu modellieren, die sie an russische Emigranten verkaufte. Unter ihnen war, wie sie in ihrer Autobiographie schreibt, "auch ein Großfürst, der bei irgendeiner Filmgesellschaft untergekommen war" 1). Er brachte sie mit dem Produzenten Erich Pommer und dem Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau zusammen, die sie bei einem Essen im Hotel Bristol vom Fleck weg für den Film engagierten.
[1]
Olga Tschechowa: Ich verschweige nichts! Autobiographie, bearbeitet von C. C. Bergius. Berchtesgaden 1952, S. 103.
mit freundlicher Unterstützung