Die, die fort sind, fehlen...
Am 28. Dezember 2021 erreichte uns die traurige Nachricht, dass nach langer schwerer Krankheit unser Teammitglied Fritz Barber Ende des Jahres verstarb. Mit ihm ist nicht nur ein wichtiger Autor, Filmemacher und Schriftsteller von uns gegangen, sondern auch ein aufgeschlossener und sympathischer Zeitgeist.
Wir hatten Fritz während unserer Recherchearbeiten zu den Filmschaffenden in Groß Glienicke kennen und schätzen gelernt. Er hatte sich unserem kleinen Team angeschlossen, da er in der aktuellen medialen Entwicklung die Gefahr sah, "dass wesentliche Teile des gesicherten Wissens über vergangene Ereignisse, Erkenntnisse, Produkte, Schöpfungen, Biographien… kaum mehr zugänglich sind bzw. so gut wie nicht mehr genutzt werden - und insofern auch nicht mehr in den gesellschaftlichen Disput eingebracht werden.“ (Fritz Barber im April 2021)
Dem wollte er bewusst entgegenwirken.
Mit seinem künstlerischen Nachlass verbleibt ein bedeutender Schatz, eine tiefe Verbundenheit mit den vom Bergbau persönlich betroffenen Menschen in der Lausitz und eine nachhaltige Bereicherung des deutschen Dokumentarfilms. Die Auflistung der Auswahl seiner schriftlichen Arbeiten und seiner Filme hatte er uns dankenswerterweise überlassen.
Die Geschichten all dieser Dörfer, Ortsteile, Landschaften hat der Autor gemeinsam mit engagierten Kollegen und unterstützt von den jeweiligen Bewohnern in den vergangenen dreißig Jahren filmisch dokumentiert. Jede betroffene Familie bekam eine DVD. Der Gesamtbestand der realisierten dreiunddreißig Filme (Längen zwischen zwanzig Minuten und zwei Stunden) wurde bisher nirgendwo zusammen an einem Ort erfasst, ist bisher nicht archiviert und nicht gesichert (und daher ohne die entsprechenden Zugriffsmöglichkeiten). Das ungeschnittene Ausgangsmaterial droht demnächst, als Ramschpaket kommerziell seziert zu werden. Erfahrungsgemäß ist auch dort ein Zugriff dann nicht mehr möglich.
Fritz Barber
im April 2021 über die Ergebnisse seiner Arbeit und deren möglichen Verlust
Seit mehreren Jahren bemühen wir uns, diesen Schatz zu sichern und als Teil der regionalen Erinnerungskultur zukünftigen Generationen zugänglich zu machen. Ob das gelingt, ist angesichts der Schnelllebigkeit unserer Zeit und der geringen öffentlichen Wertschätzung allerdings fraglich.
Seit längerer Zeit veröffentlichte Fritz für alle sichtbar lyrische FENSTERGEDICHTE an seinem Wohnhaus.
Im Dezember 2021 war ein letztes zu lesen:
nachgesagter nachgesang
für Boris
schaf-treiber ihrer majestät
die die fort sind hatten frohe feste
die die fort sind fehlen nun als gäste
die die fort sind sind es längerfristig
die die fort sind stehn in der statistik
die die fort sind habens nicht gelesen
die die fort sind sind nicht mehr genesen
die die fort sind lagen auf station
die die fort sind sind ein spaß fürn clown
die die fort sind sinds mal nicht gewesen
die die fort sind stehn nicht mehr am tresen
die die fort sind sind ne fakenewsente
die die fort sind wollen keine rente
die die fort sind waren nicht beim impfen
die die fort sind können nicht mehr schimpfen
die die fort sind lagen auf den bäuchen
die die fort sind schlucken luft aus schläuchen
die die fort sind haben was zu vererben
die die fort sind sieht man nicht beim sterben
die die fort sind kann man tot sein lassen
die die fort sind freun die krankenkassen
die die fort sind habens nicht geglaubt
die die fort sind sind im sarg verschraubt
die die fort sind sind bei gott im heil
die die fort sind sind im kühlabteil
die die fort sind sind jetzt aschestaub
die die fort sind sind jetzt stumm und taub
die die fort sind sind noch ne annonce
die die fort sind sind ne schrift aus bronze
die die fort sind sind des hunds gewinsel
die die fort sind fahrn zur toteninsel
die die fort sind sind ne zahl zum zählen
die die fort sind gehen nicht mehr wählen
die die fort sind werden nicht gesendet
die die fort sind sind schon ausgeblendet
die die fort sind nach den kräht kein hahn
die die fort sind fahrn im charons kahn
die die fort sind könnens nicht erzählen
die die fort sind fehlenWir bedauern zutiefst den tragischen Verlust - Fritz wird uns fehlen.
Arbeiten von Fritz Barber:
Zum Abschluss hier eines seiner letzten Werke, den Film "Sie nannten mich Benjamin..." über Erhard Stenzel, den letzten noch lebenden Widerstandskämpfer aus der französischen Résistance (verstorben mit 96 Jahren am 18.11.2021), zu dem Fritz 2017 den Kommentar geschrieben hatte: